Konferenztitel MetullaNora Schüttpelz
Konferenztitel Metulla
Nora Schüttpelz

Der Nahe Osten – Orte der Begegnung, des Zweifels und der Zukunftsfragen

Ein Reisebericht

مواجهة العالم بإبتسامة – Mit einem Lächeln die Welt konfrontieren. Najem Wali ist Schriftsteller. Für Iraker ist er Deutscher. Aber er ist natürlich Iraker. Kurz nach Ausbruch des Iran-Irak Krieges am 22. September 1980 wurde sein Jahrgang (1956) erneut zum Militärdienst einberufen. Wali wollte nicht in den Krieg ziehen und floh nach (West)Deutschland. 40 Jahre lebt er nun hier. Mit Konflikten kennt er sich aus, beobachtet, und schreibt. Er liest uns aus Seinem Buch „Reise in das Herz des Feindes. Ein Iraker in Israel.“ vor. Es geht, natürlich, um Migrationsgeschichten, den Irak und Israel und die Menschen, aber auch um Karl Marx, 600 Dattelpalmenarten und Tiere als Friedensstifter.

Es geht auch um eine weitere ernste Angelegenheit: „Wenn in Israel oder im Nahen Osten jemand zur Welt kommt, saugt er die Geschichte des arabisch-israelischen Konflikts mit der Muttermilch auf. Es gab vier arabisch-israelische Kriege […], zahllose Auseinandersetzungen im Libanon und ständige Gefechte zwischen Palästinensern und Israelis in der Westbank und im Gazastreifen. Dieser ununterbrochene Kriegszustand hat die Menschen in der Region erschöpft und den Tod zu einer bleibenden Erscheinung gemacht, ohne daß sich ein Hoffnungsschimmer zeigt. Im Gegenteil, die Fronten verhärten sich auf beiden Seiten. Jede Seite gibt der anderen die Schuld.“, so schrieb es selbst damals in einem Essay und so erzählt er es uns, hier im modernen Teil Tel Avivs unweit des Rothschild Boulevards, wo die Rosa-Luxemburg-Stiftung ihr Auslandsbüro Israel unterhält.

 

 

Gleichheit, Freiheit, Solidarität. – Eine Vision, die schon viele mehr oder weniger geglückte Versuche hinter und sicherlich noch vor sich hat. Das trifft ganz sicher auch in Bezug auf Lösungsansätze für die vielschichtigen Konflikte im Nahen Osten zu. Im Zentrum steht dabei der Glaube, daß es keinen Frieden ohne Gerechtigkeit geben kann.  Dies gilt auch für die Entwicklung eines Systems der Kooperation und Sicherheit im Nahen Osten – bei gleichzeitiger Vereinbarkeit der Sicherheitsbedürfnisse des Iran, Saudi-Arabiens, der Türkei, Ägyptens, Israels und ihrer jeweiligen Verbündeten. Um dies zu diskutieren, begeben wir uns Mitte Juni 2022 ganz in den Norden Israels. In der ruhigen Umgebung von Metulla, einem ehemals geschäftigen Handelszentrum der Osmanen und einem lebhaften Grenzübergang während der britischen und französischen Mandate über der Levante, gab das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung einmal mehr Gelegenheit, darüber im Austausch mit ganz unterschiedlichen politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren nachzudenken. Metulla ist Partnerstadt des bayrischen Orts Pocking. Auf den ersten Blick haben die beiden nur Berge und Tourismus gemeinsam. Doch in Pocking  befand sich während der Zeit des Nationalsozialismus ein Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde dort ein Lager für jüdische „Displaced Persons“ eingerichtet, immerhin das zweitgrößte DP-Lager in Deutschland nach Bergen-Belsen.

 

„Raus aus dem Tunnel – Neue Visionen für gewaltfreie Nachbarschaft im Nahen Osten, 40 Jahre später“ Anknüpfungspunkt für die Konferenz unter diesem Titel ist Israels Invasion im Libanon im Juni 1982, vor 40 Jahren (DLF-Reportage zum Nachlesen und Nachhören hier).  Es war damals ein Wendepunkt für den Nahen Osten.  Die Hoffnung, daß dem 1979 zwischen Ägypten und Israel unterzeichneten eine Reihe weiterer Friedensverträge folgen würde zerplatzte.  Anstatt daß Nachbarn endlich gewaltfrei nebeneinander lebten, folgten Jahrzehnte der Besatzung und Konflikte.  Zwischen Israel, Libanon und Palästina, aber auch mit und im Irak, Syrien, Libyen und Jemen. Metulla liegt heute am Grenzzaun zum Libanon– und nur wenige Kilometer von den Golanhöhen entfernt, dem syrischen Land, das 1981 von Israel annektiert wurde. Über keine der Grenzen kann man einfach hinüberspazieren wie hier bei uns in der EU. Und doch: Gibt es vielleicht auch heute, in einer Zeit, in der Krieg sogar direkt neben einer mitteleuropäischen EU-Grenze tobt, die Möglichkeit gewaltfreier Nachbarschaften im Nahen Osten? Und wenn ja – was haben wir damit zu tun?

 

Wir treffen uns in der Bibliothek, im Gemeindezentrum von Metulla. „Waltz with Bashir“, so kann man auf Wikipedia nachlesen, ist ein dokumentarischer Trickfilm mit Elementen eines Thrillers aus der Perspektive des Regisseurs Ari Folman, der 1982 als israelischer Soldat während des ersten Libanonkrieges im Libanon stationiert war. Er basiert auf realen Interviews und Ereignissen mit Soldaten und einem Kriegsreporter. Der Filmtitel spielt auf den mit Israel verbündeten christlich-maronitischen Milizenführer Bachir Gemayel an, dessen Ermordung mit dem Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila gerächt werden sollte. Nach dem Film sprechen zwei israelische Friedensaktivist*innen, die selbst Militärdienst geleistet haben, diesen heute aber kritisch hinterfragen, weil sie die Durchmilitarisierung der Gesellschaft, in der sie leben, nicht mehr hinnehmen wollen. „Die Öffentlichkeit muß wissen, auf welche Missionen ihre Söhne geschickt werden und nach welchen Normen die Armee in ihrem Namen handelt.“ So stellte sich die NGO „Breaking the silence“ in unserer Broschüre „Das andere Israel“ 2018 vor.

Peace Now, 1978 ebenfalls ursprünglich von Soldaten ins Leben gerufen, ist die größte und am längsten bestehende israelische Bewegung, die sich mit öffentlichem Druck für Frieden in Nahost einsetzt, weil ihre Aktivisten „das Streben nach Frieden, Kompromiß und Versöhnung mit den Palästinensern einerseits und mit den arabischen Staaten andererseits als notwendig ansehen, um Israels zukünftige Sicherheit und seine Identität als Staat zu gewährleisten.“ Im Rahmen dieser Mission, arbeitet Peace Now für die ihrer Meinung nach einzig gangbare Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt annehmen: zwei Staaten – was die Schaffung eines palästinensischen Staates neben Israel bedeutet. Die erzählten Geschichten sind sehr persönlich, die Ziele hochpolitisch. Manch anderen Teilnehmer*innen ist dieses erste Panel zu sehr privilegierter Mittelstand, die Ziele oder Methoden längst nicht radikal genug. Von anderen erfahre ich später, daß das Zeigen des Films in solcher Runde in Deutschland seitens BDS wohl nicht akzeptiert würde. Nachprüfbar ist das auf den ersten Blick nicht, aber der Gedanke geht gegen meine (zu westeuropäische?) Vorstellung von Meinungsfreiheit und Gesellschaftskritik mittels Kunst und Kultur.

 

Wandel durch Annäherung reloaded? Am nächsten Tag geht es in den Kibbutz Misgav Am. Traurige Bekanntheit hatte der Ort am 7. April 1980 (meinem Geburtsjahr) erlangt: Fünf Terroristen der vom Irak unterstützten palästinensischen Arabischen Befreiungsfront drangen nachts in Misgav Am in den Kindergarten ein, töteten den Kibbuz-Sekretär und einen kleinen Jungen und hielten den Rest der Kinder als Geiseln. Ihre Forderung war die Freilassung von etwa 50 Terroristen aus israelischen Gefängnissen. Unmittelbar nach dem Angriff drangen israelische Truppen in den Südlibanon ein, um Terrornester auszulöschen und den Druck auf die palästinensischen Terroristen im Libanon zu erhöhen. Und da ist man wieder beim 2. Libanonkrieg 1982–2000. Vom Hügel, auf dem der Kibbuz steht, blickt man auf das Bergmassiv des Hermon, das sich entlang der syrisch-libanesischen Grenze erstreckt und im Süden an den von Israel annektierten Golanhöhen endet. Man blickt fast wie von Schleswig-Holstein nach Dänemark – nur, daß dort keine Hügel stehen und auch keine für Normalsterbliche streng verbotene Stacheldrahtzaungrenze.

Petra Pau hält hier oben ein Grußwort. Sie erzählt von ihrer Jugend, als sie von vom ersten Libanonkrieg 1973 hörte und las. Und zugleich vom KSZE-Prozeß zwischen Ost und West. Teilnehmer der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ waren 35 europäische Staaten sowie die USA, Kanada und die Sowjetunion. In der sogenannten Schlußakte wurden Grundregeln der Beziehungen zwischen den beteiligten Staaten festgelegt: friedliche und gewaltlose Regelung von Streitfällen, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, territoriale Integrität aller Teilnehmerstaaten, Nichteinmischung in innere Angelegenheiten der anderen Staaten und die Unverletzlichkeit bestehender Grenzen. Darüber hinaus enthielt das Papier Vereinbarungen zur Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt sowie über vertrauensbildende Maßnahmen im militärischen Bereich.  20 Jahre später fällt die die Berliner Mauer, friedlich, wie wir wissen. Petra Pau wird dann bald zur Vorsitzenden der PDS-Berlin – auch deshalb, weil die Partei einen Neuanfang wagt, sich der Verantwortung für Vergangenes stellt und jüngere Mitglieder auf dem Weg in eine neue Zeit nach vorne stellt. Heute ist sie Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestags und setzt sich mit großem Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus ein. Um Frieden, Stabilität und gemeinsame Sicherheit entwickeln zu können, betont sie, müssen alle Betroffenen an einen Tisch und gemeinsam Anforderungen an Politik und Gesellschaft formulieren – wie damals im Kalten Krieg bei der KSZE. Heute ist sie überzeugt, daß allerdings von Anfang an die Bevölkerung und auch die Wissenschaft viel besser einbezogen werden müssen.

 

Denn ohne die Zivilgesellschaft geht der Frieden nicht voran. Zivilgesellschaft in Israel das ist neben den schon genannten zum Beispiel auch die Initiative „Gun Free Kitchen Tables“ (GFKT), übersetzt etwa „Keine Waffen auf dem Küchentisch.“ Ihre Aktivist*innen setzen sich für strengere Kontrollen und die Reduzierung von Kleinwaffen in Israel und den von Israel kontrollierten palästinensischen Gebieten ein. 20 feministische, zivilgesellschaftliche und Menschenrechtsorganisationen haben sich hier zusammengeschlossen. Wer gelegentlich Nachrichten über diese Gegend liest weiß, warum das wichtig ist: Immer wieder gibt es lokale Gewaltausbrüche in und um Siedlungsgebiete, aber zunehmend sogar in bi-nationalen Wohnorten. Weniger und besser kontrollierter Besitz von Kleinwaffen könnte die Durchmilitarisierung der Gesellschaft – unter der nebenbei gesagt vor allem auch die Frauen leiden – verringern. Mehr dazu im Interview mit Rela Mazali in „Maldekstra 15“ (Seite 22 f.).

 

 

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer – Hat jemand eine Friedenstaube gesehen?  Wissenschaftler und Journalisten erläutern in diesen Tagen ihre Beobachtungen und Forschungsergebnisse über die Entwicklungen in der Region 10Jahre nach Beginn des Arabischen Frühlings, über den Bürgerkrieg in Syrien, sich wandelnde Allianzen und Interessen.  Zentral sind die „Abraham Accords“ und die weiteren „Normalisierungsabkommen“, die Israel 2020 zunächst mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und in der Folge mit Bahrein, Marokko und Suden geschlossen hat.

 

Sind die Abraham Accords aus dem Jahr 2020 Segen für die beteiligten Staaten oder Fluch, vor allem für die von den arabischen Bruderstaaten anscheinend vergessenen Palästinenser?

Mit der Unterzeichnung dieser Verträge im Jahr 2000 ff. (ein Artikel zu einer möglichen Einordnung hier) ist eine „Normalisierung“ der Beziehungen zwischen Israel und ihm bislang feindlich gesonnenen Staaten angestoßen. Die Formel: Kein Friede mit Israel, keine Anerkennung, keine Verhandlungen bis die Palästinenserfragen geklärt sind, gehört der Vergangenheit an. Das ist einerseits in Neuanfang für breitere regionale Verständigung auf diplomatischer Ebene und zugleich eine Marginalisierung des andauernden Israel-Palästina-Konflikts. Natürlich dreht sich die Welt weiter und ein einzelner Konflikt sollte nicht Kooperation auf breiterer Ebene verhindern. Doch im Austausch für die Abraham Accords drohen nicht nur die nach internationalen Recht illegale Besatzung palästinensischer Gebiete „vergessen“ zu werden, sondern z. B. auch die Besetzung der Westsahara durch Marokko. Wer für eine „regelbasierte internationale Ordnung“ wirbt, kann das nicht hinnehmen.  

 

Nächste Frage: Müßten nicht Täter von Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen umgehend zur Rechenschaft gezogen werden, damit Aussöhnung und demokratische Staatsbildung eine Chance haben? Und was heißt das in der Realität? Gerechtigkeit für Opfer, darum geht es, um Anerkennung der jeweiligen Erzählungen, wie auch immer geartete Rückkehrrechte für Flüchtlinge und Displaced persons, Rückgabe von Eigentum oder Kompensation, eine Wahrheitskommission, die Beschreibung von Orten und Ereignissen. Wir diskutieren die international und teilweise regional vorhandenen Beispiele und Instrumente zum Schutz und Durchsetzung von Menschenrechten und Gerechtigkeit. Es gibt sie, doch die Anwendung hängt von staatlichen Interessen, politischem Engagement und von Zeit ab.

 

Es geht weiter. Die Fragen sind groß und Antworten liegen noch in der Zukunft: Wie macht man eiserne Vorhänge fallen? Die Idee KSZE/OSZE steht ja im Raum. Doch muß diese mit dem Angriffskrieg Rußland auf die Ukraine nicht auch als gescheitert betrachtet werden? Ist es überhaupt realistisch, daß sich Israel und der Iran und die jeweils Verbündeten (öffentlich) an einen Tisch setzen? Israel bleibt weiterhin skeptisch gegenüber einer Erneuerung der des Nuklear-Abkommens mit dem Iran (JCPOA). Hört man offizielle Äußerungen bleiben die drei hauptsächlichen Sicherheitsprobleme Israels: Iran, Iran und Iran – nachzuhören übrigens auch in der jüngsten Sitzung der EP-Delegation für die Beziehungen zu Israel, der der israelische Botschafter zugeschaltet war.

 

Perspektivisch muß es einen regionalen Ansatz für die kommenden 10 Jahre geben. Er müßte inklusiv sein: alle Länder der Region, alle Gesellschaften. Die alten vorhandenen Strukturen wie die  Arabische Liga oder der Golfkooperationsrat sind zu oberflächlich und es müßte natürlich Israel dabei sein, auch die Türkei, der Iran, die Palästinenser natürlich. Die Weltordnung ist multipolar geworden. Das bedeutet auch für den Nahen Osten eine Notwendigkeit, sich neu aufzustellen. China ist bereit, globale Führungsrollen zu übernehmen. Die Golfstaaten wissen, daß sie ihre Probleme nicht an die USA oder die EU „outsourcen“ können.

Dabei geht es nicht nur um Sicherheit, sondern auch um Umwelt-, Energie- und Ressourcenfragen (während wir noch über die Verhinderung von 1,5 Grad globaler Erwärmung diskutieren, ist der Ausblick für den Nahen Osten etwa +4Grad!), um Migration und Strukturwandel in der Wirtschaft, um gesellschaftliche Entwicklung und Bildung, um Innovation und Digitalisierung, Demokratie oder auch nicht. Mit dem Prozeß des Negev-Summit scheinen einige der Themen – „regionale Sicherheit, Ernährungs- und Wassersicherheit, Energie, Gesundheit, Bildung und Toleranz sowie Tourismus“ – mit einigen Staaten auf die Tagesordnung gesetzt.

 

Kickstart der EU-Außenpolitik – und hilft das dem Nahost-Friedensprozeß? Immer wieder stellt sich (mir) die Frage: Was tun? Und dabei natürlich: Welche Rolle kann die EU bei der Konfliktbewältigung spielen angesichts ihrer 27+1 Außenpolitiken? Und ist sie überhaupt daran interessiert? Denn klar ist, daß die eigentliche Konfliktlösung nur vor innen heraus vor Ort entwickelt werden kann. Wie können wir bei den nötigen Erfordernissen helfen, die klar im Raum stehen, also zum Beispiel den die politische Atmosphäre schaffen, um Lösungen voranzubringen, die Region demilitarisieren, das regelbasierte internationale System (wieder) stärken und die demokratischen und zivilen Kräfte vor Ort entwickeln? In meinem Diskussionsbeitrag zweifle ich daran – trotz Jahrzehntelanger bilateraler Beziehungen der EU in den Nahen Osten und ganz besonders mit Israel, trotz einer recht deutlichen prinzipiellen Haltung zum Israel-Palästina-Konflikt und trotz der aktuellen verstärkten Bemühungen zu einer Stärkung der EU-Außenpolitik. Die aktuelle EU-Außenpolitik gegenüber den Ländern des Nahen Ostens ist geprägt vom akuten Bedarf an fossilen Energieträgern, also Gas und Öl. Die neue außenpolitische Ausrichtung, die wir als EU aktuell schaffen (Strategischer Kompaß, Verteidigungsfonds, Golfstrategie, Konfrontationspolitik gegenüber China) sind nicht geeignet, proaktiv zu Deeskalation im Nahen Osten beizutragen. nicht geeignet, proaktiv zu Deeskalation im Nahen Osten beizutragen. Erst recht nicht der Versuch, als EU zunehmend globaler Akteur zu werden, indem wir zunehmend auch mit militärischen Fähigkeiten eigene Interessen durchsetzen könnten. Und schließlich werden wir als Vermittler von Werten wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unglaubwürdig, wenn diese Werte sogar in unseren Mitgliedstaaten einem konservativen Rückfall zum Opfer fallen.

 

Wie könnte also die EU im Nahen Osten doch den ehrlichen Makler für friedlichen und demokratischen Wandel spielen? Folgen wir unserer eigenen Erzählung unserem Werte-basierten Politikverständnis, daß uns immerhin zu dieser politischen Union geführt hat?  Unter Schirmherrschaft eines Europaabgeordneten der Linksfraktion THE LEFT im Europaparlament wird aktuell ein offizielles Positionspapier des Europaparlamentes unter de, Titel „Förderung von regionaler Stabilität und Sicherheit in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens“ genau zu diesen Fragen erarbeitet. Der Entwurf dazu liegt vor und wird wohl bis November detaillierter ausgearbeitet werden.

Einige Vorschläge lassen sich aus den Konferenzbeiträgen ableiten:, 

  • Statt vor allem auf den Aufbau eigener militärischer Kapazitäten zur Interessendurchsetzung zu fokussieren, sollte Europa weiterhin und stärker auf den Ausbau internationalen Rechts und multilateraler Institutionen setzen. Abrüstung, Rüstungskontrolle und drastische Einschränkung von Waffenlieferungen in Konfliktgebiete wären gemeinsame Aufgaben.  
  • Auch angesichts dessen, daß die Staaten des Nahen Ostens zögernd vom Krieg zur Diplomatie übergehen, sollte Europa regionale Initiativen unterstützen, proaktiv zur Deeskalation und Stabilisierung der Region beizutragen. 
  • In Abkehr von alten kolonialen Reflexen sollte Europa diese Entwicklungen zurückhaltend unterstützen und seine Softpower-Potentiale einsetzen, um seinen Beitrag zu ökonomischen, sozialen und menschenrechtlichen Entwicklung sowie der Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels und der Folgen von Kriegen und Konflikten zu leisten.  
  • Es ist positiv, daß die EU ihrer Rolle als Vermittler in den Verhandlungen über das JCPOA nach wie vor engagiert nachkommt. 
  • Zusammenarbeit und direkter Austausch zwischen Menschen in Bereichen wie Bildung, Wissenschaft oder Kultur, aber auch Klimaschutz und lokale demokratische und wirtschaftliche Entwicklung können einen wesentlichen Beitrag zur Überbrückung von Spaltungen zwischen Konfliktstaaten leisten, hier kann die EU mit eigenen Erfahrungen und Förderprogrammen unterstützen, die Entwicklung einer starken Zivilgesellschaft in der Region zu fördern; und damit zu regionaler Stabilität beitragen. 

Von lokalen Grenzen und Globalisierungsproblemen

Am Ende einer jeden politischen Reise geht es schnell zurück zu den alttäglichen praktischen Dingen. Die beginnen damit, daß man zum eigentlichen Thema mit mehr Fragen und Zweifeln als Antworten zurückkommt. Es geht aber noch viel irdischer. Die Fluggesellschaften in Europa und Israel scheinen vergleichbare Probleme zu haben: Jedenfalls verursachen Flughafenstreik in Brüssel und Personalmangel am Airport Tel Aviv einiges Chaos, sodaß aus einem gemütlichen Nachmittagsrückflug eine Wanderung durchs moderne Tel Aviv wird. Ich sehe den alten Hafen im Norden der Stadt. Die Bauhaus-Architektur des vergangenen Jahrhunderts ist sicher Geschmackssache und mal mehr mal weniger schön. Die Reste der 2001 in einem Terroranschlag zerbombten Diskothek direkt am Stadtstrand liegen nun unter einer Baustelle – die Strandpromenade soll nicht mehr von dieser schmerzhaften Erinnerung unterbrochen werden. Dezent verteilt finden sich Hinweisschilder auf öffentliche Bunker und Tsunami-Fluchtrouten.

Politik bleibt präsent in dieser Stadt: Am Abend versammelt sich eine arabisch-jüdische Demonstration die seit 55 Jahren anhaltende Besatzung „Die Besatzung erstickt alle Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit“ – erinnern die Teilnehmer*innen aus Zivilgesellschaft und in linkem politischen Spektrum, das es – wenn auch klein – durchaus gibt in Israel. Sie wenden sich gegen Praxis von Verwaltungshaft, Hausinvasionen, Siedlergewalt, Landminen und Verfolgung und Tötung von Journalisten. Keine Regierung habe bisher ernsthaft die Besatzung palästinensischer Gebiete in Frage gestellt, jedes weitere Jahr mache die Situation schlimmer.

In Jaffa, dem alten arabischen Teil der Stadt, erinnert außer der Bauweise nicht sehr viel an die arabische Geschichte. Die meisten Beschilderungen weisen auf die wechselhafte Geschichte griechischer, ottomanischer, christlicher, napoleonischer oder britischer Siedlungs- und Eroberungszeiten hin. Dennoch liegt eine Art „weiche Publikumsgrenze“, die keine Altersgrenze ist, irgendwo in der Mitte an der Strandpromenade von Tel Aviv-Jaffa. Wahrscheinlich wechselt auch das Bierangebot irgendwo dort, allerdings ist es im Juni schon zu heiß, um das genau zu untersuchen.

Am Flughafen nachts um 2h30 herrscht dann Hochbetrieb – das sei normal, sagt mir der Taxifahrer noch: Ben Gurion Airport ist der einzige internationale Flughafen und die An- oder Ausreise über die Landgrenzen des kleinen Landes ist … nun ja, noch immer eher eine Ausnahmevariante.

 

 

 

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Landminenfelder neben der Landstraße
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Grenze zu Libanon
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Besetzung der Golanhöhen 1976
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Petra Pau, Moderator Stefan Liebich, Kibbuz Misgav Am
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Blick von der Strandpromenade Tel Aviv-Jaffa in Richtung Jaffa
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Symbolbild für den Stadtstrand
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Street art in Jaffa
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Text auf hebräisch und arabisch: „Gleichheit ohne Freiheit ist Unterdrückung, Freiheit ohne Gleichheit ist Ausbeutung. Grundlage von Freiheit und Gleichheit ist die Solidarität.“ Rosa Luxemburg
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Überbelibsel der britischen Mandatsperiode - beliebtes Ausflugs und Familienfotomotiv. nahe der Grenze zu Syrien.
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Najim Walid bei der Lesung seines Buches „Reise in das Herz des Feindes. Ein Iraker in Israel.“
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Teil der Geschichte von Metulla
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