Troika

Demokratisch verankern, radikal umbauen

DIE LINKE im Europäischen Parlament fordert einen radikalen Umbau der Troika und eine demokratische Verankerung im Europäischen Parlament. Die Troika ist zu ersetzen durch ein Gremium, das sich für sein Handeln vor dem Europäischen Parlament zu verantworten hat und das im echten Dialog mit Ländern, die auf internationale Unterstützung angewiesen sind, Lösungen entwickelt. Lösungen, die weit über das gegenwärtige Schema hinausgehen, das nichts weiter, tut als verschiedene Variationen eines radikalen Kürzungsprogramms zu verhängen, ohne auf die gesellschaftlichen Folgen oder die tatsächlichen Ursachen der krisenhaften Entwicklung zu schauen.

Tausendfaches Elend, ein zerstörtes gesellschaftliches Leben, bittere Armut und der Zusammenbruch der öffentlichen Gesundheitsversorgung: die Troika aus Europäischer Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank zieht eine Spur der Verwüstung durch Länder der Europäischen Union. Ins Leben gerufen wurde die Troika von den Regierungen der Mitgliedsländer als Reaktion auf die krisenhaften Entwicklungen in Griechenland, Portugal und anderen Euro-Ländern im Lauf der Finanzkrise – vorgeblich, um den Zusammenbruch dieser Länder zu verhindern. Allerdings schuf die Troika mehr Probleme als sie löste.

Nicht nur, dass sie zahllose Menschen mit den verhängten Maßnahmen in massives Elend stürzt, sie verstößt dabei auch gegen grundlegende Schutzrechte wie das Recht auf Tarifverhandlungen, auf Freiheit des Einzelnen, auf sichere Gesundheitsversorgung und verletzt den Anspruch des sozialen Zusammenhalts. All diese Rechte sind, neben einigen anderen, in den Verträgen der EU und in internationalen Vereinbarungen wie den ILO-Kernarbeitsnormen festgeschrieben, die die EU bzw. ihre Mitgliedsländer unterzeichnet haben. Und die Troika muss sich für ihr Handeln so gut wie gar nicht verantworten, Verhandlungen in den Parlamenten der betroffenen Länder finden, wenn überhaupt, unter dem Damoklesschwert der Zahlungsverweigerung statt: stimmen die Staaten den verlangten Maßnahmen nicht zu, erhalten sie keinen Kredit, es droht ein Staatsbankrott mit unvorhersehbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen.

Aber auch aus rechtlicher Perspektive ist die Troika mehr als fragwürdig. Andreas Fischer Lescano, Europarechtler an der Uni Bremen, kommt in einem Gutachten zu dem Schluss, dass zwar die Troika rechtlich betrachtet nicht Teil der EU sei und daher theoretisch auch die entsprechenden Rechte und Pflichten nicht beachten müsse. Faktisch aber, zum Beispiel durch die Einbindung der EU-Kommission und der EZB und die enge Abstimmung mit dem Rat der EU, handle die Troika im Rahmen der EU und müsse daher die von der EU garantierten Rechte achten und sich dem Europäischen Parlament gegenüber verantworten.

Das tut die Troika bislang nicht, lediglich die EU-Kommission und die EZB berichten vor dem Europäischen Parlament, allerdings ohne den Abgeordneten das Recht zuzugestehen, Einfluss auf das Handeln der Troika nehmen. Der Internationale Währungsfonds verweigert sich vollständig: Zum einen sei der IWF nur der Versammlung der Mitgliedsländer verpflichtet, zum andern wolle man nicht in einem öffentlichen Gremium – das EU-Parlament tagt öffentlich – Maßnahmen besprechen, die Spekulanten auf den Plan rufen könnten.

Ein weiterer Stein des Anstoßes ist die besondere Rolle der Europäischen Zentralbank: nach den EU-Verträgen ist die EZB für die Geldpolitik zuständig. Deshalb versteht sie sich in der Troika offiziell nur als Ratgeberin, mehr gibt ihr Mandat auch nicht her. Andererseits aber beruft sich die EU-Kommission als Teil der Troika regelmäßig auf den Rat, den die EZB gibt – die geldpolitische Instanz hat also de facto erheblichen Einfluss auf Entscheidungen der Troika.

An diesen Punkten setzt auch das Europäische Parlament mit seiner Kritik an. Im März haben die Abgeordneten eine Stellungnahme zur Politik der Troika verabschiedet („Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 2014 zu der Untersuchung über die Rolle und die Tätigkeiten der Troika (EZB, Kommission und IWF) in Bezug auf Programmländer des Euroraums“, Aktenzeichen 2013/2277), die an vielen Stellen schon in die richtige Richtung weist: Die Abgeordneten fordern die Rechtfertigung der Troika vor dem Parlament, kritisieren die einseitige Kürzungspolitik und verlangen, dass die von der EU garantierten Grundrechte jederzeit eingehalten werden müssen. Allerdings geht die Kritik an einigen Stellen noch nicht weit genug.

An die Stelle dieser undemokratischen und Menschen verachtenden Politik muss ein Konzept rücken, das klar macht: die sozialen Rechte der Bevölkerung, die Freiheiten des Einzelnen dürfen unter keinen Umständen irgendwie gearteten finanziellen Interessen untergeordnet werden und wie es im Bericht des Parlaments heißt, muss sicher gestellt werden, dass „die Organe der EU das Unionsrecht, darunter auch die Charta der Grundrechte der EU, unter allen Umständen achten.“ Auf dieser Basis muss an die Stelle bedingungsloser Kürzungspolitik ein zukunftsfähiges Modell rücken, das auf drei Säulen ruht:

  1. Ausgleichsmechanismus zwischen den EU- oder den Euro-Staaten, Investitionen in nachhaltige und ökologische Entwicklung

Statt wie bislang ausschließlich auf Handelsbilanzdefizite zu schauen, müssen auch die für den Euro-Raum fatalen Handelsbilanzüberschüsse von Ländern wie Deutschland, Österreich und den Niederlanden in den Blick rücken. Denn besonders für eine Währungsunion gilt, dass die Überschüsse des einen immer die Defizite des anderen bedeuten. Und statt, wie in der Vergangenheit, ausschließlich wirtschaftlich schwache Staaten mit Strafzahlungen zu belegen, müssen die „starken“ Länder ihren Beitrag leisten zu einem Ausgleich in der EU. Wer dauerhaft Exportüberschüsse in der EU erzielt und damit den Bestand der Währungsunion gefährdet, hat Zahlungen an einen europäischen Ausgleichsfondszu leisten. Wie zum Beispiel der DGB in seinem Marshall-Plan für Europa fordert, wird dieses Geld, eventuell mit zusätzlichen Mitteln der Europäischen Investitionsbank (EIB), genutzt, um in den wirtschaftlich schwächeren Ländern Investitionen in nachhaltige ökologische Entwicklung zu finanzieren. Damit wird einerseits die Entwicklung der schwächeren Länder gefördert, andererseits sind die exportstarken Länder eher interessiert, ihre jeweilige Binnennachfrage zu stärken, da sie andernfalls Teile des Kuchens abgeben müssten. Beides verstärkt die Tendenz zu ausgeglichenen Handelsbilanzen der Euro-Länder und nutzt man einen solchen Ausgleichsfonds zusammen mit einem Schuldenaudit und einer möglichen Schuldenrestrukturierung der betroffenen Länder, steht einer tatsächlichen Lösung der Krise nichts mehr im Weg. Näheres zu diesem Konzept haben Axel Troost und Lisa Paus in ihrem Beitrag „Eine europäische Ausgleichsunion – Die Währungsunion 2.0“ beim Institut Solidarische Moderne veröffentlicht.

  1. Europäische Zentralbank erhält das Recht und die Pflicht zur direkten Staatsfinanzierung

Um die Staatsfinanzen von der Willkür der Finanzmärkte zu entkoppeln und absolut irrationale Entwicklungen wie die enormen Zinsunterschiede zum Beispiel zwischen deutschen und griechischen Staatsanleihen zu verhindern, erhält die Europäische Zentralbank das Recht und die Pflicht zur direkten Staatsfinanzierung – spätestens, sobald der Zins für öffentliche Anleihen über ein tragbares Maß steigt, kann das entsprechende EU-Land bei der EZB zinsgünstige Kredite aufnehmen. Dass es so weit kommt, ist aber aus zwei Gründen unwahrscheinlich: Im Herbst 2012 verkündete EZB-Chef Mario Draghi, die EZB werde künftig Euro-Staaten, die an den Kapitalmärkten zu hohe Zinsen leisten müssen, finanziell unterstützen. Seither sind die Zinsunterschiede für Anleihen der Euro-Staaten deutlich gesunken, ohne dass die EZB dieses Programm tatsächlich anwenden musste. Allein dessen Ankündigung hat die Finanzmärkte ausreichend abgeschreckt. Anders als das von Draghi verkündete Programm darf die direkte Staatsfinanzierung aber nicht unter dem Vorbehalt massiver öffentlicher Kürzungen stehen. Zudem verhindert der Ausgleichsmechanismus zwischen den Staaten mit hoher Wahrscheinlichkeit schon im Vorfeld die Entwicklung von Ungleichgewichten und damit die Attacken von Finanzmärkten auf einzelne Länder.

  1. Soziale Fortschrittsklausel

Sämtliche Programme und die gesamte Gesetzgebung der EU wird einer sozialen Fortschrittsklausel unterworfen: Nichts, was aus Brüssel kommt, darf zu einer Verschlechterung der Lebenssituation in der EU führen, anzustreben ist eine Angleichung der Lebensverhältnisse nach oben.

Nur mit einem solchen gemeinsamen europäischen Ansatz kann die gegenwärtige Staatenkonkurrenz aufgebrochen werden, die Verankerung einer solchen gemeinsamen Wirtschaftspolitik kann nur auf europäischer Ebene funktionieren da nur dort ein Ausgleich der einzelstaatlichen Interessen möglich ist.