CO2-Ausstoß von PKW: Politische Korruption lohnt sich
Die EU und ihr Gesetzgebungsverfahren sind so konstruiert, dass sich die Interessen der Wirtschaft durchsetzen
Zu der heutigen Abstimmung über neue Grenzwerte für den CO2– Ausstoß von PKW (Ulmer-Report) erklärt Sabine Wils, MdEP DIE LINKE und Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit:
„Eine große Mehrheit des Europäischen Parlaments hat heute dem Ulmer-Bericht über die neuen Grenzwerte für CO2-Emission von PKW zugestimmt. Ambitioniert ist die neue Richtlinie nicht. Im Gegenteil: sie entspricht den Wünschen von BMW und Mercedes und sieht sowohl ein Phase-In als auch Super-Credits vor. Damit wird die technisch mögliche zügige Umgestaltung des Automobilverkehrs verzögert – zu Lasten des Klimas und des Geldbeutels der Verbraucher, denn die Verordnung bedeutet unnötig viele Tausend Tonnen CO2 mehr in der Atmosphäre und auch weiterhin hohe Benzinkosten für Autofahrer.“
Angesichts des schlechten Ergebnisses bemühten sich in der gestrigen Debatte viele Abgeordnete sowie EU-Kommissarin Hedegaard, bereits auf die Nachfolgeregelung, die nach 2020 gelten soll, zu vertrösten. Sabine Wils weiter: „Das Zeichen, das von dieser Abstimmung ausgeht: Dreiste politische Korruption lohnt sich. Trotz des offensichtlichen finanziellen Dankeschöns durch die Großspenden der BMW-Eigentümer-Familie an CDU und FDP kurz nach der Bundestagswahl, haben die meisten Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht mehr als Krokodilstränen vergossen. Von „Fehlern“ auf Seiten des Rates war intern zwar stets die Rede. Doch es handelt sich nicht um Fehler, sondern um Gewinn-Interessen – in diesem Fall für die deutschen Premium-Hersteller.“
Im vergangenen Sommer wurde eine Einigung erzielt, die jedoch vom Rat auf Druck Deutschlands nicht akzeptiert wurde – eine klare Brüskierung des Europäischen Parlaments, die leider folgenlos blieb. „Das liegt daran, dass das Parlament im Gesetzgebungsprozess der EU stets am kürzeren Hebel sitzt und leicht „erpressbar“ ist: Weil eine Zurückweisung in erster Lesung gar keine Einigung für geringere CO2-Ziele bedeutet hätte und das Parlament im Wahljahr zeigen will, wie konstruktiv es arbeiten kann, waren viele Abgeordnete bereit auch diese schlechte Einigung mitzutragen,“ so Wils. Der gesamte Vorgang zeige eindrucksvoll, dass die EU und ihr Gesetzgebungsverfahren so konstruiert seien, dass sich die Interessen der Wirtschaft durchsetzten – wenn nötig auch ganz offen durch Korruption. In der Regel genüge aber der Verweis auf die Vertragsgrundlagen der EU und das Schlagwort Wettbewerbsfähigkeit, um die Abgeordneten des EPs auf Linie mit den Interessen der Unternehmen zu bringen. „Eine grundlegende Revision aller Verträge der EU – also ein sozial-ökologischer Neustart der EU – bleibt daher nötig. DIE LINKE. im Europäischen Parlament hat bereits die schwachen Verordnungsvorhaben im vergangenen Sommer abgelehnt und selbstverständlich auch heute gegen den Ulmer-Report gestimmt“, so Wils abschließend.
Zum Hintergrund der heute verabschiedeten Verordnung:
Die Verhandlungen über die Verordnung waren im Sommer 2013 fast abgeschlossen, doch die deutsche Bundesregierung blockierte einen Abschluss und erzielte durch Hintertür-Diplomatie, dass weitere Mitgliedsländer ebenfalls eine Nachverhandlung im Herbst einforderten. Die heute abgestimmte Verordnung erlaubt ein Phase-In der Abgasgrenzwerte von einem Jahr. Das heißt, bis 2020 muss die Durchschnittsemission der Flotte eines Herstellers 95% des Ziels von 95g CO2 pro Kilometer erreichen. Das entspricht de facto in etwa 98g CO2/km im Jahr 2020. Vom 31. Dezember 2020 an müssen 100% der Flotten der Hersteller die 95g CO2/km erreichen. Allerdings gibt es auch hier eine flexibel gestaltete Ausnahme: die sogenannten Super-Credits erlauben den Herstellern von 2020 bis 2022 nochmals insgesamt 7,5g CO2/km „Rabatt“. Für die Umwelt bedeutet dies viele tausende Tonnen mehr CO2 in der Atmosphäre. Für den Verbraucher bedeutet es mehrere Milliarden mehr an Benzinkosten, denn das Ergebnis verzögert den rascheren Wechsel der Industrie auf umweltfreundlichere, also benzineinsparende Modelle. Und schließlich kann die fortwährende Dominanz fossiler Energieträger auch zu geostrategischen Konflikten in Zeiten knapper werdender Rohstoffe führen.
Straßburg, 25.02.2014