Bruchlandung in Brüssel

Brüsseler Spitzen von Sabine Wils (erschienen im Neuen Deutschland)

Kürzlich konnte im EU-Parlament ein Etappensieg für die europäischen Verkehrsgewerkschaften und sozialen Interessen gefeiert werden. Der Verkehrsausschuss lehnte den Vorschlag der EU-Kommission ab, die Bodendienste an den Verkehrsflughäfen weiter zu liberalisieren. Dabei geht es um den Transport des Gepäcks und um Vorfeldarbeiten wie die Abfertigung, das Be- und Entladen, Rangieren und Betanken der Flugzeuge. Die Zurückweisung war ein erstes Nein gegen die Verschärfung des Lohn- und Sozialdumpings auf europäischen Flughäfen. Möglich wurde das durch vielfältige Aktivitäten der Betroffenen. So demonstrierten einen Tag vor dem Votum Tausende Flughafenbeschäftigte aus vielen EU-Ländern auch vor dem Europaparlament in Brüssel. Aufgerufen hatten die Europäische Transportarbeiterföderation und ihre Mitgliedsorganisationen.

Bereits 1996 hatte die Kommission eine Mindestöffnung des Marktes der Bodenabfertigungsdienste auf EU-Flughäfen durchgesetzt. Dieser erste Liberalisierungsschritt brachte erhebliche negative Auswirkungen für die Beschäftigten mit sich. Der Wegfall von Zulagen sowie Pausenreduzierungen, eine Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen wie Leiharbeit und Befristungen sind jetzt vielerorts Realität. Gravierend ist auch die Kürzung der Löhne und Gehälter von durchschnittlich über 20 Prozent. Laut ver.di arbeiten bundesweit 40 Prozent der Bodendienstler für Stundenlöhne von 7,00 bis 8,70 Euro.

Der vorerst gestoppte neue Vorstoß der EU-Kommission sieht die Erhöhung der Mindestzahl der Abfertiger für große Flughäfen auf mindestens drei vor. Angedacht sind eine Trennung der Bodendienstunternehmen von den Flughafenbetreibern und die Erlaubnis, Aufträge an Subunternehmer weiter zu vergeben. Regelungen zu einheitlichen Qualitätsstandards, Vorgaben zur Ausbildung der Beschäftigten oder zur verpflichtenden Anwendung eines repräsentativen Tarifvertrages fehlen dagegen.

Die linke Fraktion im Europaparlament hat von Beginn an konsequent für eine Ablehnung des Kommissionsvorschlags argumentiert und steht solidarisch an der Seite der protestierenden Beschäftigten. Wir sehen die Gefahr, dass eine weitere Liberalisierung erneut zu Lasten der Arbeitsbedingungen geht und Qualität wie Sicherheit sinken. Die EU-Kommission hat eine erste Bruchlandung erlebt. Jetzt kommt es darauf an, weiter zu mobilisieren und zu informieren, um auch im Plenum des Europaparlaments eine Ablehnung zu erreichen. Das wird nur bei Fortführung der Proteste gelingen können. Die entscheidende Abstimmung soll am 12. Dezember stattfinden.

Doch selbst bei einer Ablehnung im Plenum hätten wir noch keine Verbesserung der schlechten Situation an den europäischen Flughäfen erreicht. Daher muss der Druck auf die Abgeordneten, den Rat und die Kommission weiter aufrecht gehalten werden, um europäische Regelungen zu erhalten, die auch gute Arbeitsbedingungen sichern.

Der neoliberale Dreiklang »Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung« ist fester Bestandteil der Strategie der EU und zementiert in den Verträgen von Maastricht bis Lissabon. Beschäftigtenrechte werden sukzessiv beschnitten und soziale Standards ausgehebelt, womit auch gleichzeitig die Qualität der angebotenen Dienstleistungen und Produkte gesenkt wird. Gerade jetzt in der Wirtschafts- und Finanzkrise kommt es darauf an, dass die Beschäftigten europaweit Löhne bekommen, von denen sie leben können. Die LINKE fordert einen Neustart der EU mit einer vollständigen Revision jener primärrechtlichen Grundelemente, die militaristisch, undemokratisch und neoliberal sind. Wir wollen ein soziales Europa und keine Dumpinglöhne per Gesetz!