„Die europäische Rechte – aktuelle Analysen und Befunde“

Veranstaltung vom 16. November 2012 in Leipzig

„Die europäische Rechte – aktuelle Analysen und Befunde“

. war das Thema eines Tagesseminars, das am 16.11.2012 in der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Leipzig stattfand. Auf Einladung der Europaabgeordneten Lothar Bisky und Cornelia Ernst waren eine Reihe ausgewiesener ExpertInnen auf diesem Gebiet zusammengekommen, die über den Zustand, über Themensetzungen und die Vernetzung rechter und neonazistischer Akteure in der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten referierten. Dabei kamen auch mögliche Gegenstrategien zur Sprache.
Am Anfang standen Begriffsklärungen. Was taugen die Begriffe „Populismus“ und „Extremismus“ hinterfragten einerseits Fritz Burschel von der Akademie für politische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Mirko Fischer von der Initiative gegen jeden Extremismusbegriff. Während der Populismusbegriff zur subsumierenden Beschreibung von Ideologien der Ungleichwertigkeit oder autoritären Strategien eher untauglich ist, dient der Extremismusbegriff zur gezielten Herstellung einer Ordnung, aus der unliebsame politische Akteure ausgeschlossen werden, so die beiden Referenten.
Der britische Wissenschaftler Matthew Goodwin stellte seinen „Chatham House Report
“ über rechte und neonazistische Akteure in Europa vor. Er stellt darin die These auf, dass nicht vordergründig die krisenhafte wirtschaftliche Situation, sondern die Angst vor dem Verlust der kulturellen Identität das zentrale rechte Erfolgsthema ist. Daraus schlussfolgerte er, dass es darum gehen muss die jüngeren, toleranzerfahrenen Generationen zu stärken. Eine These, die im Verlauf des Seminars mehrfach wieder aufgegriffen und auch infrage gestellt wurde.
Thilo Janssen, Mitarbeiter der Fraktionsvorsitzenden der linken Fraktion im Europäischen Parlament, Gabi Zimmer, stellte im Anschluss basierend auf seine Studie „Was macht die politische rechte im Europäischen Parlament“ dar, wie rechte und neonazistische Akteure auf europäischer Ebene organisiert sind.
Daran schlossen sich konkrete Beispiele aus zwei europäischen Ländern an: Prof. Peter Porsch, Germanist und langjähriger Partei- und Fraktionsvorsitzender der sächsischen LINKEN, gab einen eingehenden Einblick in das Wirken der wohl ältesten und erfolgreichsten rechtspopulistischen Parteien in Europa, der FPÖ. Mit ihrem Lavieren zwischen Nazitum und Bürgerlichkeit wurde die FPÖ 1999 durch die konservative ÖVP mit der Beteiligung an der Regierung belohnt. Mit einwanderungs- und islamfeindlichen Inhalten kommt die FPÖ trotz Abspaltungen derzeit auf ca. 20 % Stimmanteil.
Der Islam ist das Top-Thema der politischen Rechten in ganz Europa. Dies arbeitete auch der Publizist Volkmar Wölk am Beispiel Frankreichs heraus. Trotzdem die Kandidatin des Front national, Marine Le Pen, mit fast 18 % ein herausragend gutes Ergebnis einfahren konnte, befindet sich die führende rechte Partei Frankreichs in der Krise. Sie wird mittlerweile von Gruppen wie dem Bloc Identitaire herausgefordert, die den traditionellen Nationalismus als überholt klassifizieren und einen europaweiten Kulturkampf gegen Multikulturalismus und hier insbesondere den Islam propagieren. Die „Identitären“ sind Teil der so genannten neuen Rechten, die sich nicht gegen sondern für ein starkes Europa einsetzt, das sich gegen „Islamisierung“, „außereuropäische Einwanderung“ wehrt. Ihre Mittel sind unkonventionell und aktionistisch und räumen auch dem Internet einen hohen Stellenwert ein.
Das Seminar wurde mit einem Beitrag von Uli Jentsch vom antifaschistischen pressearchiv und bildungszentrum berlin (apabiz) abgerundet. Er stellte aktuelle Kampagnen von Neonazis vor, die sowohl im als auch außerhalb des Parlamentes zum Tragen kommen. Gemeinsamer Nenner bleibt der Rassismus. Mit Blick auf die griechische Nazipartei Chrysi Avgi stellte er heraus, das es die politische Rechte versteht krisenhafte Situationen für sich zu nutzen. Die griechische Partei ist sowohl auf der Straße als auch im Parlament mit unverblümter rassistischer Agitation und Praxis präsent und kann wachsenden Zuspruch für sich verbuchen.
Am Ende des Seminars bleiben folgende Befunde: die politische Rechte ist in den meisten Ländern Europas gut aufgestellt. Dies kann auch bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 zur Verstärkung der eher zersplitterten Akteure auf dieser Ebene führen.
Hauptthema der (Neo)FaschistInnen bleibt der Rassismus, der verstärkt kulturalistisch aufgeladen wird und sich gegen die vermeintliche Islamisierung Europas wendet. Dabei gelingt es sowohl bei der wachsenden ökonomischen Unsicherheit als auch bei der puren Angst um den Verlust der eigenen kulturellen Identität anzusetzen.
Das Seminar hat einen guten und umfassenden Überblick über Themen und Strategien der politischen Rechten in Europa geliefert. Es gilt hieran anzuknüpfen und sich in die Diskussion um konzertierte linke Antworten zu begeben. Einen konkreten Vorschlag brachte Uli Jentsch mit dem Plädoyer für grenzüberschreitende, praktische Solidarität mit Flüchtlingen oder sozial Deklassierten zum Beispiel in Griechenland.
 
Juliane Nagel, 20.11.2012