Nahrungsmittelspekulation bleibt ungenügend reguliert
Heute stimmten die Abgeordneten über die Neuregulierung unter anderem des Handels auf den Nahrungsmittelmärkten ab.
Mit Pauken und Trompeten: Aktivisten von zivilgesellschaftlichen Organisationen übergaben heute Morgen mehr als 100 000 Unterschriften an die für die Finanzmarktrichtlinie zuständigen Berichterstatter im Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments. Hintergrund: Am Nachmittag stimmten die Abgeordneten über die Neuregulierung unter anderem des Handels auf den Nahrungsmittelmärkten ab.
Jürgen Klute, Koordinator der LINKEN im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments: „Es ist unerträglich: hunderte Millionen Menschen weltweit hungern oder sind vom Hunger bedroht – auch, weil die Nahrungsmittelpreise enormen Schwankungen unterworfen sind. Schwankungen, die nicht nur mit Ernteausfällen zu erklären sind, sondern auch auf die Spekulation an den Nahrungsmittelmärkten zurückzuführen sind. “
Breite Zustimmung fand die Finanzmarktrichtlinie Mifid und die dazu gehörende Verordnung Mifir, mit denen erstmals in Europa die Möglichkeit geschaffen wird, Spekulation mit Nahrungsmitteln einzudämmen. „Zwar ist das Parlament dem Druck der Zivilgesellschaft gefolgt, Positionslimits einzuführen, allerdings liefert der Text eine Umgehungsmöglichkeit gleich mit.“ Positionslimits legen Grenzen fest, wie viele Produkte eines bestimmten Typs ein einzelner Händler halten darf. Damit soll zum Beispiel der Handel auf den Weizenmärkten auf ein vernünftiges Maß begrenzt werden, um die Preistreiberei durch Spekulanten zu stoppen.
„Das Ergebnis ist ein Schritt in die richtige Richtung: bei der Festlegung der Grenzen werden die unterschiedlichen Typen von Händlern berücksichtigt.“ Mit dieser Unterscheidung können zum Beispiel für „echte“ Weizenhändler andere Grenzen definiert werden als Händler, die am Weizen überhaupt kein Interesse haben. „Leider können die Marktteilnehmer ihre Positionen nach der Entscheidung des Ausschusses noch gegeneinander verrechnen und ihre Bestände damit künstlich verkleinern – es bleibt also noch einiges zu tun, um das Spiel mit dem Essen tatsächlich zu beenden.“
Notbremse für Turbohandel
„Mit der Parlamentsposition zum Hochfrequenzhandel haben wir zumindest eine Notbremse eingebaut: Künftig muss jeder Auftrag mindestens eine halbe Sekunde offen bleiben.“ Was kaum mehr ist als ein menschlicher Lidschlag, kann den Hochfrequenzhandel empfindlich ausbremsen, wo Aufträge oft innerhalb von Millisekunden durchgeführt und damit winzige Preisunterschiede ausgenutzt werden. Klute: „Da innerhalb dieser halben Sekunde die offenen Angebot auch nicht geändert werden dürfen, schränken wir hier auch die Möglichkeit von Manipulationen massiv ein. Zusätzlich müssen neue Algorithmen künftig getestet werden, bevor sie an den Märkten eingesetzt werden.“
Mit dieser Vorschrift zielen die Abgeordneten auf heftige Kurssprünge, die durch falsch programmierte Computer verursacht wurden. „Obwohl das Parlament mit seinem Beschluss weit hinter einem Austrocknen des Hochgeschwindigkeitshandels zurück bleibt, ist das doch ein Schritt in die richtige Richtung“, fasst Klute zusammen.
Einen kleinen Erfolg sieht Klute in der Ausweitung des Verbraucherschutzes. „Unserem Vorschlag für die Definition einer unabhängigen Anlageberatung, bei der keine Provisionen gezahlt werden, ist das Parlament zwar nicht gefolgt. Aber immerhin können die EU-Länder Anlageberatern künftig vorschreiben, dass sie Provisionen an ihre Kunden ausschütten müssen.“ Bevor diese Punkte in die Tat umgesetzt werden können, stehen jedoch noch Verhandlungen mit den Regierungen der Mitgliedsländer und mit der EU-Kommission an. Nur wenn Parlament und Rat sich einigen, wird die Neuregelung Gesetz.
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Bericht zur NGO-Aktion von Astrid Goltz, Campact – HIER!
Pressemitteilung von attac Deutschland, weed & campact zur Ausschlussabstimmung – HIER!