Europa in Aufruhr

Von Portugal bis Griechenland: Massenproteste

Es kam, wie es kommen musste. Der aufgezwungene neoliberale Umbau der Mitgliedstaaten durch die EU, der Hand in Hand geht mit radikalem Sozialabbau, massiver Privatisierung und steigender Arbeitslosigkeit, hat in vielen EU-Staaten öffentlichen Aufruhr ausgelöst. Es war immer klar, dass unter diesem marktradikalen Programm einige Mitgliedstaaten zusammenbrechen würden und in einen Teufelskreis von Verschuldung, Sparzwang und einer erstickenden Wirtschaft geraten werden. Die nun erfolgende rücksichtslose Durchsetzung der beschlossenen Sparprogramme, die den Privat- und vor allem den Bankensektor völlig aus der Verantwortung nehmen, hat eine einzigartige soziale Bewegung und Massenproteste hervorgerufen. Mit Schrecken ist zu beobachten, dass in dem Maße, in dem der Widerstand gegen die ausbeuterische neoliberale Politik zunimmt, die gewaltsame Niederschlagung von Sozialprotesten – mittlerweile auch offen wieder als Aufstandsbekämpfung bezeichnet – innerhalb der EU in Betracht gezogen wird. In einigen EU-Staaten wurde in den letzten Jahren vermehrt Militär zur »Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung« eingesetzt. So z. B . in Griechenland im Sommer 2010, als das Militär gegen Streiks eingesetzt wurde. Die neue »Solidaritätsklausel« des Vertrags von Lissabon erlaubt sogar den Einsatz militärischer und paramilitärischer EU-Einheiten im Inland – etwa zur Niederschlagung von Sozialprotesten. Es steht zu befürchten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann auch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. Obwohl es keine reine Jugendprotestbewegung ist, spielt vor allem die Jugend, die sich durch schlechte Ausbildungsbedingungen und hohe Arbeitslosigkeit um ihre Zukunft betrogen fühlt, bei der Organisation und Entwicklung der mittlerweile wochenlang andauernden Demonstrationen in Europa eine wichtige Rolle.Die Proteste eint die Forderung nach sicheren Arbeitsplätzen, nach Würdigung der Arbeiterschaft und nach Volkssouveränität gegen aufgezwungene Privatisierungs- und Sparpolitiken, sie sind tief demokratisch. Linke Parteien müssen gegen das gewaltsame und institutionalisierte Vorgehen der EU insgesamt sowie der EU-Einzelstaaten gegen Protestierende agieren und solidarisch aktiv werden. Insbesondere viele junge Menschen fühlen sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten, es herrscht auch eine große Skepsis gegenüber linken Parteien.
Es muss den Linken gelingen, ihr Konzept einer konsequenten Antikrisenpolitik zu vermitteln und die Protestierenden sowie all diejenigen, die gezwungen werden, die Konsequenzen der gegenwärtigen Politik zu tragen, wirkungsvoll zu unterstützen. Wir müssen einen radikalen Neuanfang der Europäischen Union fordern, sonst werden sich die jungen Menschen von uns abwenden, werden Rechtspopulisten und Konservative die Situation für sich zu nutzen wissen, wird die EU keine Zukunft haben.