Militärische Interessensdurchsetzung und deutsche Scheinheiligkeiten: Zum Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler

Heute erklärte Bundespräsident Horst Köhler seinen Rücktritt. Anlass war die scharfe Kritik an seiner Forderung, militärische Gewalt müsse auch für Rohstoff- und Handelsinteressen eingesetzt werden. Er fühle sich missverstanden, so Köhler.

Dazu die Europaabgeordnete Sabine Lösing
„Ich frage mich, was es hier falsch zu verstehen gibt. Köhlers Aussagen sind glasklar: militärische Gewalt soll zur Durchsetzung strategischer und ökonomischer Interessen eingesetzt werden. Was mich überrascht, aber auch erfreut, ist, dass seine Aussage derart scharf kritisiert wurden. Denn Köhler sprach lediglich offen aus, was schon längst gängige Praxis ist. Einsätze zur Durchsetzung von Handels- und Rohstoffinteressen sind sowohl in Deutschland als auch in der Europäischen Union eine traurige Normalität. Neu ist lediglich, dass dies nicht nur in Planungsdokumenten, sondern vom Bundespräsidenten ungeschönt eingeräumt wurde. Die Operation zur Bekämpfung der Piraterie vor dem Horn von Afrika- ATALANTA- beweist nichts anderes, als dass die köhlerschen Forderungen schon längst gängige Praxis der EU-Militärpolitik sind. Die Ereignisse um den Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler bringen deshalb vor allem die typische Scheinheiligkeit der deutschen Debatte um Militäreinsätze ans Licht. Finden Militäreinsätze zur Durchsetzung ökonomischer Interessen statt, so wird darüber der Mantel des Schweigens gehüllt. Militärische Einsätze zur Durchsetzung deutscher Interessen scheinen durchaus gewollt zu sein – dies ehrlich beim Namen zu nennen offenbar nicht. Das ist die eigentliche Lehre aus den Ereignissen der letzten Tage.“
Brüssel, 31.05.2010

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