Sünder und Sündenböcke
In der Krise nicht am falschen Ende sparen: Bildung, Gesundheit und Soziales
Unter dem Motto »Armut darf nicht sein!« hatte EU-Kommissionspräsident
Barroso im Januar das »Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung« eröffnet.
Ganz richtig wurde erkannt, dass Armutsbekämpfung ein wichtiger Teil
der Krisenbewältigung sein muss. Es käme jetzt ganz besonders darauf
an, den Ländern, die am meisten unter den Folgen der Finanzkrise
leiden, solidarisch zur Seite zu stehen. Vorschläge hierfür gibt es aus
unserer Sicht genug: Endlich die Finanzmärkte kontrollieren, den Handel
mit Kreditderivaten verbieten, Euroanleihen auflegen sowie eine
wirtschaftspolitische Koordinierung der europäischen Länder schaffen,
die auf soziales und umweltverträgliches Wachstum setzt und Wohlstand
gerechter verteilt.
Stattdessen wurde eine beispiellose Kampagne gegen die so betitelten
»PIIGS« (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien) ins Rollen
gebracht. Man hetzt gegen Länder, die sich nicht an Regeln gehalten hätten und den »Stabilitäts- und Wachstumspakt« gebrochen haben.
Die entscheidende Frage aber lautet: Ist dieser Pakt überhaupt noch
zeitgemäß? Bereits vor der Krise konnte kaum ein EU-Mitgliedstaat
die Auflagen dauerhaft einhalten.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist längst auch zu einer sozialen Krise
angewachsen. ein solider öffentlicher Haushalt für Bildung, Gesundheit
und Soziales wäre heute wichtiger denn je – es ist jedoch klar, dass
dies innerhalb des restriktiven Rahmens des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht umsetzbar und politisch auch nicht erwünscht ist. Es ist richtig: Haushaltslöcher sind Schulden zulasten unserer Kinder und Enkel.
Aber wer den Rotstift ansetzt, um in Krankenhäusern, an Kindergärten,
Schulen und Universitäten zu sparen, beraubt die Menschen zusätzlich
der Möglichkeit, sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen und für deren Bewältigung gut gerüstet zu sein.
Wir meinen deshalb: Spekulanten müssen an der Sanierung unserer
gemeinsamen europäischen Wirtschaft beteiligt werden. Es darf nicht
sein, dass Risiken und Verluste ausschließlich Steuerzahlerinnen und
Steuerzahlern aufgebürdet werden.
Als Linke fordern wir Solidarität natürlich nicht nur in der EU. Uns geht
es gleichzeitig um eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung. Die herrschenden Politikerinnen und Politiker in den Mitgliedstaaten und in der EU haben die Macht und die Instrumente, das Jahr der Armutsbekämpfung
im besten Sinne zu nutzen. Wir nehmen sie dafür in unserer täglichen
Arbeit in die Verantwortung.