Europäisches Jahr 2010 gegen Armut und soziale Ausgrenzung: Wird die EU jetzt sozialer?

Sabine Wils für "Betrieb & Gewerkschaft"

Das öffentliche Bewusstsein für die Risiken von Armut und sozialer Ausgrenzung zu stärken und die Wahrnehmung für ihre vielfältigen Ursachen und Auswirkungen zu schärfen – das sind die Ziele des Europäischen Jahres 2010 – ausgerufen von der Europäischen Kommission. Wer geglaubt haben sollte, die EU würde im Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung wirksame sozial-ökologische Konjunkturprogramme zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise und der Erwerbslosigkeit auflegen, wird enttäuscht werden. Es handelt sich eher um eine Kampagne zur Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Armut und des zivilgesellschaftlichen Engagements.
Während der Spanischen Ratspräsidentschaft will Spaniens sozialdemokratischer Ministerpräsident Zapatero als einer seiner Schwerpunkte den Lissabon-Vertrag umsetzen. Die jetzt neu ins Amt gekommene Europäische Kommission soll Vorschläge zur neuen Lissabon-Strategie (2010 – 2020) vorlegen. Kern der neuen Strategie soll auch weiterhin die Steigerung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der EU sowie die verschärfte Fortsetzung der Liberalisierung des EU-Binnenmarkts und der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte bleiben. Ergebnisse der vorherigen Lissabon-Strategie (2000 – 2010) waren in Deutschland die Teilprivatisierung der Renten, Hartz IV und die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse (Flexicurity-Konzept). Die Folge dieser Politik ist Armut und Ausgrenzung. 80 Millionen Menschen in der EU gelten offiziell als arm, darunter 19 Millionen Kinder. Sie verfügen über weniger als 60 Prozent des jeweiligen nationalen Durchschnittseinkommens
An dem hohen Druck der EU gegenüber Griechenland lässt sich deutlich erkennen, dass die Einhaltung der Maastricht-Kriterien und des Stabilitäts- und Wachstumspakts wieder durchgesetzt werden soll. Die Gehälter im öffentlichen Dienst sollen gekürzt, Sozialleistungen abgebaut und öffentliche Dienstleistungen privatisiert werden. Nicht nur von Griechenland, sondern auch von Irland und vielen osteuropäische Ländern werden radikale Sparprogrammen der öffentlichen Haushalte eingefordert. Die wirtschaftlich stärkeren und großen Länder in der EU, wie z.B. Deutschland, können so bessere Bedingungen für ihre Unternehmen schaffen und für sie neue Märkte erschließen.
Wir als Abgeordnete der LINKEN im Europaparlament wollen im Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung unsere Forderungen für ein soziales Europa in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzungen zu stellen: Für europaweite Mindestlöhne, für die Senkung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf maximal 40 Stunden ohne Ausnahme in der EU-Arbeitszeitrichtlinie, für die Beseitigung der Kinderarmut in der EU, für den Ausbau und kostenlosen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen vor allem für besonders gefährdete Gruppen! In Deutschland kämpfen wir einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn von 10 €, eine radikale Arbeitszeitverkürzung, die Abschaffung von Hartz IV, die Rückkehr zur Rente ab 65 sowie eine solidarische gesetzliche Krankenversicherung. Das können wir nur mit den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen auf der Straße durchsetzen!
Artikel in „Betrieb und Gewerkschaft„, März 2010