Demokratie sieht anders aus! – Ein Gespräch mit Sabine Lösing
Die EU plant die Verknüpfung militärischer und ziviler Strukturen – frei von jeglicher demokratischen Kontrolle durch das Europäische Parlament.
Der Lissabon-Vertrag sieht die Einrichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vor. Was haben die Bürgerinnen und Bürger in Europa genau zu erwarten?
Der Lissabon-Vertrag sieht vor, das Amt eines Hohen Vertreters der EU zu schaffen. Dieser wird – vergleichbar mit dem bundesdeutschen Außenminister – die EU nach außen vertreten und soll von einem diplomatischen Dienst unterstützt werden, der sich aus 5.000 bis 8.000 Beamten zusammensetzt.
Ist der EAD mit den diplomatischen Diensten der Nationalstaaten vergleichbar?
Einerseits ja, denn der diplomatische Dienst soll Befugnisse erhalten, die zurzeit ausschließlich von den Auswärtigen Diensten der Nationalstaaten wahrgenommen werden. Nach und nach soll der EAD auch konsularische Tätigkeiten ausführen können, wie beispielsweise das Recht, Einreisegenehmigungen auszustellen. Es bestehen gravierende Unterschiede im Vergleich zu der Rolle, die Diplomaten nach bisherigem Verständnis haben. Der Schlüsselbegriff hierfür lautet »zivil-militärische Zusammenarbeit«: Unter zivilen Einsätzen im Ausland versteht man z.B. die Arbeit humanitärer Hilfsorganisationen. Jene sollen in Zukunft mit den militärischen Apparaten zusammenarbeiten. Das bedeutet, es wird künftig keine Unterscheidung zwischen rein zivilen oder militärischen Einsätzen geben. Der neue diplomatische Dienst wird eine wichtige Rolle bei solchen zivilmilitärischen Interventionen spielen: Hier sollen militärische Strukturen auf personeller Ebene verknüpft werden. Einsatzbefugnis und -kontrolle liegen ebenfalls beim EAD.
Die Fürsprecher des Lissabon-Vertrags betonen immer wieder die gestärkte Position des Europäischen Parlaments (EP).
Ist die demokratische Kontrolle des EAD ausreichend?
Auf keinen Fall! Das EP kann nicht einmal über die finanzielle Ausstattung des diplomatischen Dienstes mitentscheiden, da der EAD komplett dem Rat unterstehen soll. Auf Aufgabenfelder, Einsatzgebiete oder Einstellungskriterien haben die gewählten Abgeordneten keinerlei Einfluss!
So wollen etwa Länder wie Großbritannien oder Frankreich Personal für den EAD aus der Rüstungsindustrie einsetzen. Hinzu kommt, dass durch die neuen, angeblich »effizienteren« Entscheidungsmechanismen im Rat großen EU-Ländern ein weitaus stärkeres Gewicht als bisher gegeben wird.
Für die kleinen Mitgliedstaaten bedeutet dies, dass sie bei Entscheidungen meist außen vor bleiben, aber die Verantwortung mittragen müssen. Im Fall des EAD besteht die Gefahr, dass dieser zum Spielball der außenpolitischen Interessen großer Mitgliedstaaten wird.
In den Medien spielt der EAD bisher kaum eine Rolle. Woran liegt das?Die Vorbereitung zur Einrichtung des EAD hat in großer Eile und meist hinter verschlossenen Türen stattgefunden. Das EP hat eine Stellungnahme unter Federführung von Elmar Brok (CDU) abgegeben, die die Ziele des EAD nicht infrage stellt.
In den Aufbau der Behörde sind nur sehr wenige Repräsentanten anderer Politikebenen, wie etwa aus der Kommission oder den Mitgliedstaaten, eingebunden. Demokratisch und transparent ist dieser Prozess nicht! Verschärfend kommt hinzu, dass die eigentliche Rechtsgrundlage des EAD – der Vertrag von Lissabon – noch gar nicht in Kraft war, während elementare Entscheidungen getroffen wurden.
Kurz zusammengefasst – was sind deine wichtigsten Kritikpunkte am EAD?
Dieser neue Apparat ist ein weiteres Zahnrad, um den Ausbau der zivil-militärischen Zusammenarbeit umzusetzen, was die Zukunft der europäischen Außenpolitik ganz entscheidend verändern wird. Die politischen Eliten in den großen Staaten der EU – insbesondere Deutschland – wollen ihren Einfluss in der Welt ausbauen! Die EU soll zum militärischen »Global Player« aufgebaut werden, um auch zukünftig europäische Machtinteressen und den Rohstoffnachschub abzusichern. Zur Verwirklichung dieses Ziels spielt der EAD eine entscheidende Rolle. In meinen Augen steht der EAD für die Militarisierung der Außenpolitik. Eine demokratische Kontrolle des EAD ist faktisch nicht möglich und auch nicht erwünscht.
Dieser Artikel ist in der europaROT Ausgabe Dezember 2009 erschienen.
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