Druck von links im Europaparlament
Das neu gewählte Europäische Parlament hat am 14. Juli 2009 in Straßburg seine Arbeit aufgenommen.
Neoliberaler Hardliner zum Präsidenten des EU-Parlaments gewählt
„Ich vertrete eine radikal andere Politik als mein Gegenkandidat. Ich kämpfe für ein Europa, in dem die Bedürfnisse der Menschen Vorrang gegenüber den Zwängen der Märkte haben.“ Das waren Worte aus Eva-Britt Svenssons Vorstellungsrede zur Wahl des Präsidenten des Europäischen Parlaments. Die schwedische Abgeordnete war Kandidatin der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL), der auch die Abgeordneten der LINKEN angehören. Demgegenüber hatten die Konservativen den ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Jerzy Buzek aufgestellt, wobei sie von den Sozialdemokraten, den Liberalen und sogar von den Grünen unterstützt wurden.
Der Kandidat Jerzy Buzek konnte mit Stolz auf die in seiner Zeit als polnischer Ministerpräsident erfolgte Schließung zahlreicher Kohlemienen sowie auf die Privatisierung des Rests verweisen. Er hob den Beitritt Polens zur NATO als seine wichtigste außenpolitische Leistung hervor. Da passte es ins Bild, dass Buzek bei seiner Vorstellung vor der GUE/NGL-Fraktion kein Wort zu den sozialen Herausforderungen der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise fand. Mit seiner Wahl zum Parlamentspräsidenten haben Sozialdemokraten und Grüne ihre sozialen Wahlversprechen ad Absurdum geführt. Die für Eva-Britt Svensson abgegebenen 89 Stimmen waren mehr als ein Achtungserfolg für sie, denn sie wurde auch von zahlreichen Mitgliedern anderer Fraktionen gewählt.
Präsident der EU-Kommission zu wählen – Stunde der Wahrheit für Sozialdemokraten und Grüne
Die Wahl des Präsidenten der EU-Kommission steht im Oktober an. Der Vorschlag der EU-Regierungschefs ist Manuel Barroso, der bisherige Amtsinhaber. In dieser Funktion hat er u.a. die Deregulierung der Finanzmärkte, die Privatisierungspolitik und die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte vorangetrieben. Linksfraktion und Grüne lehnen Barrosos erneute Kandidatur rundheraus ab. SPD, Grüne und DIE LINKE haben sich in jeweils eigenen gemeinsamen Positionspapieren mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund vor der Europawahl verpflichtet, keine Kommissare zu wählen, die sich nicht für Initiativen zu einem sozialen Europa und insbesondere für eine soziale Fortschrittsklausel aussprechen. Sie soll den Vorrang von Grundrechten und insbesondere des Streikrechts und der Tarifvertragsfreiheit vor den unternehmerischen Freiheiten des EU-Binnenmarkts im EU-Primärrecht verankern. Wir sind gespannt, ob Sozialdemokraten und Grüne gegenüber den Gewerkschaften Wort halten, wenn über die EU-Kommissare im EP abgestimmt wird.
Schwedische Ratspräsidentschaft – Weiter so, als gäbe es keine Wirtschafts- und Finanzkrise
Schweden hat die europäische Ratspräsidentschaft inne. Sie will lediglich die bisherigen, weitgehend nur nationalstaatlichen Konjunkturmaßnahmen der Mitgliedstaaten auf ihre Wirksamkeit prüfen und einen Dialog darüber anstoßen. Damit wird das totale Versagen der EU fortgesetzt, eine gemeinschaftliche systemische Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise zu entwickeln. In der Beschäftigungspolitik soll alles beim Alten bleiben (Flexicurity, Förderung der Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer etc.). Zum Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung findet die Präsidentschaft zwar ein paar warme Worte, schlägt aber trotz Krise kein Maßnahmenprogramm vor.
Hingegen macht sie im Chor mit der amtierenden Europäischen Kommission und dem Rat der EU-Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN) den raschen Abbau der krisenbedingt sprunghaft angestiegenen Haushaltsdefizite der Mitgliedstaaten zu ihrem Top-Thema. Ein zügiger Schuldenabbau unter die Maastricht-Grenzwerte (3 % Haushaltsdefizit, 60 % Gesamtstaatliche Schulden) soll spätestens ab 2011/12 einsetzen. Damit würde aber selbst die von einigen Optimisten ersehnte leichte wirtschaftliche Erholung ab 2010/2011 – für die es wenig Anzeichen gibt – sofort wieder abgewürgt, die Krise verlängert und verschärft.
Die Linksfraktion im EP wird versuchen, eine breite öffentliche Diskussion über diesen Katastrophenkurs der schwedischen Präsidentschaft und der EU-Institutionen anzufachen. Gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen wollen wir uns für wirtschafts-, beschäftigungs-, umwelt- und sozialpolitische Alternativen engagieren und zum Aufbau eines europaweiten Widerstands beitragen.
Sabine Wils, MdEP ist die Leiterin der Delegation DIE LINKE im Europäischen Parlament. Die Delegation gehört zur Linksfraktion im EP (GUE/NGL) – 35 Abgeordneten aus 13 EU-Mitgliedstaaten.