Deregulierung der EU-Arbeitszeitrichtlinie gescheitert – ein Erfolg für Europas Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Das Vermittlungsverfahren zur Revision der EU-Arbeitszeitrichtlinie endete heute Morgen ohne Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament. Damit bleibt es bis auf Weiteres bei der bestehenden EU-Arbeitszeitrichtlinie.
„Viele Kommentatoren werden beklagen, dass die Europäische Union erneut bei einem wichtigen Vorhaben nichts zustande gebracht hat. Richtig daran ist, dass es keinen Fortschritt in Richtung eines sozialen Europa gibt, weil Kommission und Rat genau dies nicht wollen. Die geplante Revision der EU-Arbeitszeitrichtlinie hätte deren ohnehin schwaches Schutzniveau nur weiter abgesenkt. Dass diese Angriffe auf den Arbeitsschutz fürs Erste gescheitert sind, ist ein Erfolg für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa“, kommentiert Gabi Zimmer (DIE LINKE. in der GUE/NGL Fraktion).
Zimmer weiter:
„Rat und Kommission wollten, dass Regelungen über flexible Jahresarbeitszeitkonten auch durch einfache Verwaltungsvorschriften erlassen werden können. Damit hätten vor allem die öffentlichen Arbeitgeber auf kommunaler, Landes- und Bundesebene die Gewerkschaften massiv unter Druck setzen können: Entweder ihr stimmt längeren und flexibleren Arbeitszeiten per Tarifvertrag zu, oder wir drücken dies ohne euch einfach auf dem Verwaltungsweg durch. Diesen Knüppel gegen die Gewerkschaften haben die Regierungen nun nicht in die Hand bekommen. Jahresarbeitszeitkonten sind nach der nun weiterhin geltenden EU-Arbeitszeitrichtlinie nur unter der strikten Bedingung von tarifvertraglichen Regelungen möglich.
Kommission, Rat und sogar die Mehrheitsposition des Europäischen Parlaments wollten die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Bereitschaftszeiten ganz oder teilweise kassieren. Das ist fehlgeschlagen. Die EuGH-Urteile – Bereitschaftszeiten sind Arbeitszeit, Ausgleichsruhezeiten müssen sofort nach normalem Dienst und anschließender Bereitschaftszeit gewährt werden – müssen nun umgesetzt werden. Kommissar Spidla hat jetzt keine Ausreden mehr: Wir fordern ihn auf, unverzüglich Vertragsverletzungsverfahren gegen jene Mitgliedstaaten einzuleiten, die vom EuGH bestätigten Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer z.B. im Gesundheitswesen, bei Feuerwehr, Notfall- und Rettungsdiensten nicht anwenden.
Das umstrittene Opt-out – ein allgemeines Ausscheren aus der Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf (durchschnittlich) 48 Stunden – bleibt nach der bestehenden Richtlinie weiterhin erhalten. Kommission und Rat haben sich verbissen geweigert, eine Abschaffung des Opt-outs selbst nach einer Übergangszeit von 10 Jahren und mehr auch nur in Erwägung zu ziehen. Das zeigt, dass ihre Bekenntnisse zum ’sozialen Europa‘ keinen Pfifferling wert sind.
Die Nutzung des Opt-outs können Gewerkschaften und die politische Linke aber auf nationalstaatlicher Ebene bekämpfen und tabuisieren: z.B. durch das Verweigern von Opt-out Tarifverträgen, durch Kampagnen für entsprechende Änderungen der nationalen Arbeitszeitgesetze und Aufklärung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass sie individuelle Op-out-Vereinbarungen nicht unterschreiben müssen. Die im deutschen Arbeitszeitgesetz enthaltene Möglichkeit eines Opt-out per Tarifvertrag muss gestrichen werden.
Nun gilt es, Druck für eine andere Revision der Arbeitszeitrichtlinie aufzubauen. Wir sehen die Aktionstage der europäischen Gewerkschaften vom 14. bis 17. Mai 2009 unter dem Motto ‚Bekämpfung der Krise – die Menschen in den Mittelpunkt stellen‘ als einen guten Auftakt. Diese Aktivitäten sollten fortgeführt und verbreitert werden. Auch das Thema kollektive Arbeitszeitverkürzung (Kurze Vollzeit für alle) als Instrument gegen die Krise muss in diesem Rahmen wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Reduzierung der maximalen wöchentlichen Arbeitszeit in der EU-Arbeitszeitrichtlinie in einem ersten Schritt auf 40 Stunden, Abschaffung der vielen derzeit geltenden Schlupflöcher und Ausnahmeregelungen einschließlich des Opt-outs, Verankerung der EuGH-Rechtsprechung zu Bereitschaftszeiten – dafür müssen wir in der nächsten Zeit breite Bündnisse aufbauen. Denn Kommission und Rat werden vor dem Hintergrund von Rezession und steigenden Arbeitslosenzahlen sicher wieder versuchen, ernut eine ‚Lösung‘ auf dem Rücken der Lohnabhängigen durchzusetzen.“