Europa ist mehr als ein Finanzplatz

Nora Schüttpelz

EU: Sozial geht vor Wirtschaft

Niemand beginnt ein neues Jahr gern mit dem Gedanken an eine Krise, noch dazu eine globale Finanz-, Wirtschafts- und Nahrungsmittelkrise von einem Ausmaß, das man sich lange lieber nicht vorstellen wollte. Doch was hilft’s?! Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten sind kurz vor den Feiertagen zum wiederholten Mal zusammengetroffen, um Maßnahmen zur Krisenbewältigung gemeinsam zu beraten und mit ruhigerem Gewissen in die Feiertage zu starten. Beschlossen wurde ein Europäisches Konjunkturprogramm über 200Mrd. € – finanziert zu 80% von den Mitgliedstaaten, zu 20 % aus EU-Mitteln, damit ein kleiner, aber immerhin vorhandener europäischer Mehrwert. Der Rat befürwortete dazu beispielsweise zusätzliche europäische Kredite für die Förderung von klein- und mittelständischen Unternehmen, Klimaschutzmaßnahmen und Infrastrukturausbau sowie die zeitweilige Aussetzung bestimmter Beihilfe- und Vergaberegeln. Auch wurde angeregt, auf Ebene der Mitgliedstaaten über Mehrwertsteuerermäßigungen in bestimmten Sektoren und „direkte Beihilfen für [ ] insbesondere die einkommensschwächsten Haushalte“ nachzudenken. In der selben Woche beriet das Europaparlament über Vorschläge der Kommission zur EU-weiten Regulierung von Rating-Agenturen sowie zur verstärkten Einlagensicherungspflicht von Banken. Die Kommission schließlich hat kurz vor der Weihnachtspause noch eine öffentliche Konsultation über den künftigen Umgang mit Hedgefonds eingeleitet. All dies sind durchaus begrüßenswerte und von der LINKEN seit langem geforderte Ansinnen.
Was jedoch fehlt, ist eine ganz grundlegende Änderung der Politikausrichtung in der EU und den Mitgliedstaaten: Weg von einer exportorientierten Wirtschaftspolitik und Außenwirtschaftsförderung, hin zur Stärkung der Binnennachfrage durch europäische und nationale Konjunkturprogramme, die die Massenkaufkraft, also die der Lohnabhängigen, Arbeitslosen, Rentnerinnen und Rentner, kleinen und mittleren Betriebe stärken. Einkommen müssten über Mindestlöhne und Anhebung des Arbeitslosengelds auf ein sozial verträgliches Niveau gehoben werden. Die Einführung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors in allen Bundesländern wäre ein weiterer sinnvoller Schritt. Die Privatisierung der Altersvorsorge muss gestoppt und auf europäischer Ebene durchgesetzt werden, dass die Betriebsrentenrichtlinie geändert wird – mit eingezahlten Rentenbeiträgen darf nicht länger in hochriskanten Fonds spekuliert werden dürfen. Die oben genannten Vorschläge auf EU-Ebene müssen schnellstens konkretisiert und umgesetzt werden. Notwendig ist die strenge Begrenzung des Handels mit Risikofinanzprodukten und größere Transparenz der Banken, vor allem auch der Europäischen Zentralbank. Erforderlich ist ebenso die Einführung der lange geforderten Steuer auf kurzfristige Käufe und Verkäufe von Wertpapieren, kurzfristige Geldmarktgeschäfte und Devisenumsätze sowie das Schließen von Steueroasen wenigstens in der EU. Das könnte in der Krise zumindest ein wenig helfen
http://www.dielinke-charlottenburg-wilmersdorf.de/fileadmin/cw/zeitung/09-01_Bezirksbuehne.pdf