Die Linke und ihr Verhältnis zur EU!

Artikel in SO! Die Zeitung der Linken in Sachsen. 1-2/2008

Als erstes Land hat Ungarn den Vertrag von Lissabon ratifiziert, alle anderen 26 Mitgliedstaaten der EU wollen in diesem Jahr folgen. Damit könnte die dringend nötige Reform der EU zum 1. Januar 2009, also noch vor den nächsten Europawahlen, in Kraft treten. Widrigenfalls bliebe in der EU alles wie gehabt. Die positiven Änderungen im neuen Vertrag entfielen – also gerade jene, die der Linken neue Spielräume eröffnen, um die Europäische Union zu verändern.

Deutlich gestärkt werden etwa die Rechte des Europaparlaments, der einzigen europäischen Institution, in der linke Parteien Europapolitik mitgestalten können. Bedeutsam ist dies auch deshalb, weil es hier keine starre Kräftekonstellation zwischen Regierungskoalition und Opposition wie in nationalen oder Landesparlamenten gibt, sondern Mehrheiten zu jedem einzelnen Sachthema jeweils neu hergestellt werden müssen. Gerade dies eröffnet künftig größere Möglichkeiten, Entscheidungen von links zu beeinflussen oder unsoziale Maßnahmen – wie im Fall der arbeitsplatzvernichtenden Hafendienstleistungsrichtlinie geschehen – sogar zu verhindern. Erstmals wird mit dem Europäischen Bürgerbegehren direkte Demokratie in der Europapolitik eingeführt. Soziale Bewegungen erhalten so einen wirksamen Hebel, die EU mitzugestalten. Wichtig für uns ist, dass Europol endlich parlamentarischer Kontrolle unterworfen wird. Bei internationalen Handelsabkommen erhält das Parlament ein Vetorecht, welches die bisherige Allmacht der Exekutive in diesem Bereich bricht.

Sozialpolitisch höchst bedeutsam ist, dass der Vertrag von Lissabon eine Klausel enthält, die zwingend vorschreibt, künftig alle EU-Richtlinien auf ihre Sozialverträglichkeit hin zu überprüfen – ein scharfes Schwert für Linke, wenn man es zu gebrauchen versteht. Rechtlich verankert werden zudem die Anerkennung der Vielfalt der Daseinsvorsorge und der vorrangigen Kompetenz der Mitgliedstaaten sowie wesentliche Prinzipien wie Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit und universeller Zugang. Es entstehen somit neue Rahmenbedingungen zur Korrektur der Politik in der Daseinsvorsorge. Auch die Rechte der 500 Millionen Menschen in der EU werden deutlich gestärkt, denn mit dem Vertrag von Lissabon wird die Charta der Grundrechte – das modernste Grundrechtedokument überhaupt – rechtsverbindlich und individuell einklagbar.

Strikt abzulehnen bleibt, dass die Entwicklung der EU zur Militärmacht weitergehen soll. Dies wäre allerdings auch ohne den neuen Vertrag der Fall. Aber ohne ihn gäbe es keine klare Bindung an das Völkerrecht und das Friedensgebot der UN-Charta sowie keine Stärkung der zivilen Komponenten, wozu ein Diplomatischer Dienst, die bindende Kooperation mit der OSZE, die positiven Änderungen zur Entwicklungshilfe oder der Aufbau eines Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe gehören.
Vor Ort in der Kommune, in der Region oder im eigenen Land unterstützen wir Linke Fortschritte für die Menschen. Die neuen Chancen, die der Vertrag von Lissabon bietet, sind keine „gut klingende Lyrik“. Klug genutzt ermöglichen sie es uns vielmehr, Europa sozialer, demokratischer und friedlich zu machen. Wir sollten diese Chancen im Interesse der Menschen nicht vergeben! Statt auf einem „Nein“ zur EU-Reform zu verharren, sollten wir uns vielmehr jetzt damit befassen, eigene Vorschläge auf den Tisch zu legen!
Dabei kommt die Linke allerdings nicht umhin, ihr Verhältnis zur EU prinzipiell zu klären. Man kann nicht im selben Atemzug „Ja“ zur EU sagen und gleichzeitig „Nein“ zu allen vertraglichen Grundlagen, auf denen sie beruht. Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass die Europäische Union über 50 Jahre hinweg – Schritt für Schritt und von Vertrag zu Vertrag – von anderen politischen Kräften aufgebaut wurde, während die Linke weitgehend im Abseits stand. Das kann und darf nicht so bleiben.

Von Sylvia-Yvonne Kaufmann, MdEP*

Die Autorin ist stellv. Vorsitzende der linken Fraktion (GUE/NGL) und Mitglied des Verfassungsausschusses des EP.

Als erstes Land hat Ungarn den Vertrag von Lissabon ratifiziert, alle anderen 26 Mitgliedstaaten der EU wollen in diesem Jahr folgen. Damit könnte die dringend nötige Reform der EU zum 1. Januar 2009, also noch vor den nächsten Europawahlen, in Kraft treten. Widrigenfalls bliebe in der EU alles wie gehabt. Die positiven Änderungen im neuen Vertrag entfielen – also gerade jene, die der Linken neue Spielräume eröffnen, um die Europäische Union zu verändern.

Deutlich gestärkt werden etwa die Rechte des Europaparlaments, der einzigen europäischen Institution, in der linke Parteien Europapolitik mitgestalten können. Bedeutsam ist dies auch deshalb, weil es hier keine starre Kräftekonstellation zwischen Regierungskoalition und Opposition wie in nationalen oder Landesparlamenten gibt, sondern Mehrheiten zu jedem einzelnen Sachthema jeweils neu hergestellt werden müssen. Gerade dies eröffnet künftig größere Möglichkeiten, Entscheidungen von links zu beeinflussen oder unsoziale Maßnahmen – wie im Fall der arbeitsplatzvernichtenden Hafendienstleistungsrichtlinie geschehen – sogar zu verhindern. Erstmals wird mit dem Europäischen Bürgerbegehren direkte Demokratie in der Europapolitik eingeführt. Soziale Bewegungen erhalten so einen wirksamen Hebel, die EU mitzugestalten. Wichtig für uns ist, dass Europol endlich parlamentarischer Kontrolle unterworfen wird. Bei internationalen Handelsabkommen erhält das Parlament ein Vetorecht, welches die bisherige Allmacht der Exekutive in diesem Bereich bricht.

Sozialpolitisch höchst bedeutsam ist, dass der Vertrag von Lissabon eine Klausel enthält, die zwingend vorschreibt, künftig alle EU-Richtlinien auf ihre Sozialverträglichkeit hin zu überprüfen – ein scharfes Schwert für Linke, wenn man es zu gebrauchen versteht. Rechtlich verankert werden zudem die Anerkennung der Vielfalt der Daseinsvorsorge und der vorrangigen Kompetenz der Mitgliedstaaten sowie wesentliche Prinzipien wie Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit und universeller Zugang. Es entstehen somit neue Rahmenbedingungen zur Korrektur der Politik in der Daseinsvorsorge. Auch die Rechte der 500 Millionen Menschen in der EU werden deutlich gestärkt, denn mit dem Vertrag von Lissabon wird die Charta der Grundrechte – das modernste Grundrechtedokument überhaupt – rechtsverbindlich und individuell einklagbar.

Strikt abzulehnen bleibt, dass die Entwicklung der EU zur Militärmacht weitergehen soll. Dies wäre allerdings auch ohne den neuen Vertrag der Fall. Aber ohne ihn gäbe es keine klare Bindung an das Völkerrecht und das Friedensgebot der UN-Charta sowie keine Stärkung der zivilen Komponenten, wozu ein Diplomatischer Dienst, die bindende Kooperation mit der OSZE, die positiven Änderungen zur Entwicklungshilfe oder der Aufbau eines Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe gehören.
Vor Ort in der Kommune, in der Region oder im eigenen Land unterstützen wir Linke Fortschritte für die Menschen. Die neuen Chancen, die der Vertrag von Lissabon bietet, sind keine „gut klingende Lyrik“. Klug genutzt ermöglichen sie es uns vielmehr, Europa sozialer, demokratischer und friedlich zu machen. Wir sollten diese Chancen im Interesse der Menschen nicht vergeben! Statt auf einem „Nein“ zur EU-Reform zu verharren, sollten wir uns vielmehr jetzt damit befassen, eigene Vorschläge auf den Tisch zu legen!
Dabei kommt die Linke allerdings nicht umhin, ihr Verhältnis zur EU prinzipiell zu klären. Man kann nicht im selben Atemzug „Ja“ zur EU sagen und gleichzeitig „Nein“ zu allen vertraglichen Grundlagen, auf denen sie beruht. Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass die Europäische Union über 50 Jahre hinweg – Schritt für Schritt und von Vertrag zu Vertrag – von anderen politischen Kräften aufgebaut wurde, während die Linke weitgehend im Abseits stand. Das kann und darf nicht so bleiben.

Von Sylvia-Yvonne Kaufmann, MdEP*

Die Autorin ist stellv. Vorsitzende der linken Fraktion (GUE/NGL) und Mitglied des Verfassungsausschusses des EP.

Quelle:
http://www.linke-bildung-kultur.de/index.php