Rote Karte für dieses unsoziale Europa!
Zur gestrigen Einigung der EU-Arbeitsminister über die Revision der EU-Arbeitszeitrichtlinie erklärt Gabi Zimmer MdEP, Sprecherin der Delegation DIE LINKE im Europäischen Parlament:
Rote Karte für dieses unsoziale Europa!
Zur gestrigen Einigung der EU-Arbeitsminister über die Revision der EU-Arbeitszeitrichtlinie erklärt Gabi Zimmer MdEP, Sprecherin der Delegation DIE LINKE im Europäischen Parlament:
Die Mehrheit des EU-Ministerrats „Beschäftigung, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz“ lässt die Beschäftigten wieder einmal im Regen stehen und stützt stattdessen die Unternehmerkampagne für längere Arbeitszeiten und mehr Flexibilisierung. Zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union sollen ohnehin schwache soziale Mindeststandards zur Arbeitszeit dereguliert und abgesenkt werden – ein wahrhaft historischer Rückschritt.
Offensichtlich hat auch Arbeitminister Scholz, der den „Kompromiss“ begrüßte, die Linie seiner Amtsvorgänger voll übernommen. Sie waren es, die gemeinsam mit der britischen Regierung die so genannte „opt-out-Klausel“ mit Zähnen und Klauen verteidigten.
Die Minister wollen durchsetzen, dass flexible Jahresarbeitszeitregelungen auch ohne die bislang geltende Bedingung einer tarifvertraglichen Regelung ermöglicht werden – durch Gesetze oder gar einfache Verordnungen der Mitgliedstaaten. Dies ist ein Schlag ins Gesicht der Gewerkschaften, denn sie verlören ihre bislang durch die Richtlinie verbrieften Mitgestaltungsmöglichkeiten. Längere und unregelmäßigere Arbeitszeiten könnten so leichter durchgesetzt werden. Die Unternehmerverbände könnten bestehende Tarifvereinbarungen zu Jahresarbeitszeitkonten kündigen und dann die (wahrscheinlich schlechteren) Bedingungen nutzen, die neue Gesetze und Verordnungen als Mindeststandards verankern.
Minister Scholz sagt auch die Unwahrheit, wenn er behauptet, dass sich für Deutschland durch diesen Kompromiss nichts ändere. Er negiert einfach die klaren EuGH-Urteile, wonach am Arbeitsplatz verbrachte Bereitschaftszeiten voll als Arbeitszeit zu werten sind. Ausgleichruhezeiten müssen – nach den Urteilen des EuGH- sofort nach einer Periode von normalem Dienst und anschließender Bereitschaftszeit gewährt werden. Die Minister führen stattdessen den Begriff eines ‚inaktiven Teils‘ der Bereitschaftszeit ein, der nicht als Arbeitszeit gilt. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen, bei Notfall – und Rettungsdiensten werden so ihrer Rechte wieder beraubt, die die EuGH-Urteile ihnen garantiert hatten. Die unhaltbaren Zustände bei den Arbeitszeiten im Gesundheitswesen werden auf ewig festgeschrieben.
Gegen die Stimmen von Spanien, Ungarn, Belgien, Griechenland und Zypern halten die Minister grundsätzlich daran fest, dass die Regelung zum so genannten ‚Opt-out‘ von der vorgeschriebenen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche beibehalten wird. Wird von der Ausnahme Gebrauch gemacht, soll die wöchentliche Arbeitszeit während eines 3-monatigen Bemessungszeitraums im Durchschnitt 60 Stunden nicht überschreiten dürfen. Kommen ‚aktive Bereitschaftszeiten‘ dazu, liegt die Höchstgrenze sogar bei 65 Stunden. Wird das opt-out per Tarifvertrag geregelt, sind 78 Wochenstunden möglich. Ein per Ausnahmen zulässiger Höchstarbeitstag von 12 Stunden und mehr, wie im Manchester-Kapitalismus – das soll eine „Verbesserung der Bedingungen für Europas Erwerbstätige“ darstellen?
Die Linksfraktion im Europäischen Parlament ist für die komplette Ablehnung dieser Deregulierung der EU-Arbeitszeitrichtlinie. Die Mehrheit des Europäischen Parlaments (Konservative, Liberale, Sozialdemokraten und Grüne) trägt hingegen die Vorschläge des Rats zu flexibilisierten Jahresarbeitszeitregelungen und Bereitschaftszeiten in der Tendenz mit, sprach sich aber für eine Abschaffung des Opt-outs aus. Jetzt kommt für diese Mehrheit des EP die Stunde der Wahrheit: Knickt sie auch noch in diesem letzten Punkt ein, oder bleibt sie standhaft und lässt diese Revision scheitern?