Der Europaabgeordnete André Brie zieht seinen Namen von seinem Bericht zur Situation in Afghanistan zurück: „Nicht gelungen, eine Mehrheit davon zu überzeugen, dass die Probleme Afghanistans nicht militärisch gelöst werden können.“
„Die Sicherheit in Afghanistan hat sich in den letzten drei Jahren dramatisch verschlechtert. Beim blutigsten Anschlag seit 2001 sind gestern in Kabul mehr als vierzig Menschen getötet und 140 verwundet worden. Wer nicht nur die europäischen Medien verfolgt, sondern beispielsweise auch die englischsprachige „Daily Outlook Afghanistan“, weiß, dass die Gewalt in Afghanistan noch viel umfassender und alltäglich ist.
„Die Sicherheit in Afghanistan hat sich in den letzten drei Jahren dramatisch verschlechtert. Beim blutigsten Anschlag seit 2001 sind gestern in Kabul mehr als vierzig Menschen getötet und 140 verwundet worden. Wer nicht nur die europäischen Medien verfolgt, sondern beispielsweise auch die englischsprachige „Daily Outlook Afghanistan“, weiß, dass die Gewalt in Afghanistan noch viel umfassender und alltäglich ist. Lehrpersonal wird praktisch jeden Tag erschossen. Das ist eine der zynischsten Seiten der Taliban-Strategie. Schulen, vor allem Mädchenschulen werden niedergebrannt oder ihre Schließung erzwungen. Brücken und Straßen werden gesprengt.
Viele andere Aspekte sind zu berücksichtigen. Ausgesprochen positive, wie die Fortschritte in der Bildungs- und Gesundheitspolitik, regionale Erfolge beim Wiederaufbau und bei der Bekämpfung des Drogenanbaus und -handels, die Existenz von kritischen und unabhängigen Medien und – partiell – einer lebendigen Zivilgesellschaft und kämpferischer Frauenorganisationen. Die negativen Aspekte sind der im Landesdurchschnitt auf Rekordniveau verharrende Schlafmohnanbau, seine zunehmende Verflechtung mit den allgemeinen Wirtschaftsstrukturen, insbesondere aber mit der ausufernden Kriminalität und Korruption sowie den aufständischen Gruppen. Dramatisch für den Großteil der Bevölkerung sind die Auswirkungen der internationalen Nahrungsmittelkrise. Die Korruption reicht weit in Regierungskreise und geht auch von ihnen aus. Rechtsstaatlichkeit ist schwach ausgeprägt. Fundamentalistische Ideologie hat auch in einflussreichen Teilen der Regierung und des Parlaments an Macht gewonnen. Sie bedroht die Freiheit der Medien und sie bedroht die Hoffnungen afghanischer Mädchen und Frauen auf eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die alltägliche häusliche, familiäre und lokale Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ohnehin das akuteste und von unseren Medien am meisten ignorierte Problem.
Seit dreißig Jahren leiden sie unter Kriegen. Mehr als anderthalb Millionen Menschen sind umgekommen. Die Internationale Gemeinschaft ist zur umfassenden Solidarität mit Afghanistan verpflichtet. Dieser Staat und seine Gesellschaft sind durch die Politik und den Besatzungskrieg der Sowjetunion, durch den internen Krieg der von den USA, Pakistan, dem Iran und anderen Staaten aufgerüsteten Mudjahedin-Gruppen, durch die finstere Herrschaft der Taliban zerstört worden.
Unser Bericht gibt ein differenziertes und realistisches Bild. Er würdigt die bedeutenden Erfolge der Afghaninnen und Afghanen und benennt die Defizite der afghanischen und internationalen Politik.
Umso schwerer fällt es mir, dennoch meinen Namen von dem Bericht zurück zu ziehen. Es ist mir nicht gelungen, eine Mehrheit davon zu überzeugen, dass die Probleme Afghanistans nicht militärisch gelöst werden können. Wenn nun sogar eine Verstärkung der Truppen gefordert wird, und nationale Vorbehalte in Mitgliedstaaten missachtet werden sollen werden das eigentliche Anliegen des Berichtes und mein persönliches konterkariert. Krieg ist keine Lösung. Für Afghanistan, das zeigen die Ereignisse der letzten Tage, ist es ganz und gar die falsche Politik.