Zimmer (Linkspartei): Merkel nennt nicht eine soziale Initiative der EU
Die Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS, Gabriele Zimmer, hat am Mittwoch die Erklärung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Europäischen Parlament zum Ratsvorsitz kritisiert. Merkel habe „nicht eine konkrete Initiative benannt, die eine Neuorientierung auf eine soziale Union einleit, die verbindliche soziale und ökologische Mindeststandards, Mindesteinkommen in der EU zum Ziel hat und die die konsequente Politik gegen Armut und Ausgrenzung zur `Chefinnensache` der deutschen Ratspräsidentschaft macht“, sagte Gabriele Zimmer in ihrer Rede vor dem Plenum. Außerdem sei man in Europa und in der EU „noch weit davon entfernt, die Freiheits- und Menschenrechte umgesetzt zu haben“. Diese würden weder für Menschen ohne Papiere gelten, noch für die zahlreichen Flüchtlinge, die täglich an den EU-Außengrenzen eintreffen.
Gabriele Zimmer erinnerte an die Millionen Menschen, die täglich neu ausgegrenzt werden: Als Arbeitslose könnten sie von ihren Einkünften nicht in Würde und selbst bestimmt leben. Die Vertiefung sozialer Spaltungen, die auch in Folge der Durchsetzung der Lissabonner Strategie entstehen, verhinderten die Durchsetzung von individuellen Freiheits- und sozialen Menschenrechten. Freiheit müsse immer neu erkämpft werden; sagte Zimmer in Anspielung auf die Rede von Merkel. Aber Freiheit werde nur möglich in sozialer Gleichheit.
Bezug nehmend auf die gegenwärtige Debatte um eine Europäische Verfassung richtete die Europaparlamentarierin die Erwartung, „dass auch Minderheiten mit einer künftigen Verfassung leben können und nicht unentwegt genötigt werden `Nein` zu sagen“. Eine Verfassung müsse zukunftsoffen sein und über wechselnde politische Mehrheiten auch unterschiedliche politische Richtungen ermöglichen. „Eine Verfassung, die auf pure Marktwirtschaft setzt, verhindert das.“
Merkel hatte vor den Europaabgeordneten erklärt, dass die deutsche Ratspräsidentschaft bis Ende Juni konkrete Vorschläge vorlegen wolle, um die Ratifizierung der EU-Verfassung doch noch zu erreichen. Sie will sich dafür einsetzen, dass zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft ein „Fahrplan“ für den weiteren Prozess der Ratifizierung – die bisher in 18 der 27 EU-Staaten erfolgte – verabschiedet werden könne. Die Bundeskanzlerin sieht in der Ratifizierung einer neuen EU-Verfassung eine Vorbedingung für künftige Erweiterungen der Europäischen Union.
„Die Bundesregierung stolpert in die EU-Ratspräsidentschaft ohne sichtbare Perspektiven und Vorstellungen“, so der europapolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag, Diether Dehm. Es sei nicht akzeptabel, wenn Frau Merkel betone, dass bis 2009 „Kernpunkte der EU-Verfassung“ umgesetzt werden sollten, „ohne auch nur ansatzweise konkrete Inhalte aufzuzeigen“, so Dehm.
Die Bundestagsfraktion der Linken stimme den Äußerungen aus Frankreich, den Niederlanden und auch der sehr nachdenklichen Ausführung des neuen Außenministers der Tschechischen Republik zu, „dass diese Verfassung im Kern gescheitert ist“. Auch die jüngsten Äußerungen von Altbundespräsident Roman Herzog seien ein deutlicher Beweis dafür, dass die Kritik an der derzeitigen Verfasstheit der Europäischen Union immer breiter wird, sagte Dehm.
Die jetzigen Debatten zeigten deutlich: „Die Linke, die als einzige Fraktion im Deutschen Bundestag ‚Nein‘ gesagt hat, zu diesem neoliberalen und militaristischen Verfassungsvertrag der europäischen Regierungen, wird mit klar formulierten Eckpunkten zum Verteidiger der Idee einer europäischen Verfassung gegen alle, die jetzt über ‚Verfassungsverträge‘ oder ‚Grundgesetze‘ nachdenken“, sagte der niedersächsische Abgeordnete.
Dieter Dehm: „Wir sind echte Verfassungspatrioten, die eine eng an den Vorstellungen des deutschen Grundgesetzes orientierte europäische Verfassung wollen. Gerade die antifaschistische und friedenspolitische Ausrichtung des Grundgesetzes, die allen Formen von Angriffskriegen eine deutliche Absage erteilt hat, wollen wir auch in einer europäischen Verfassung wiederfinden. Auch die wichtigen Aussagen zur Sozialbindung des Eigentums im Grundgesetz stehen im klaren Widerspruch zum einseitig neoliberalen Verfassungsvertrag der Regierungen.“
Dehm forderte einen Verfassungsvertrag, der von allen Bürgerinnen und Bürgern durch eine europaweite Volksabstimmung angenommen werden müsse.
Quelle:
Linkszeitung