Verbraucherrechte in Europa stärken statt deregulieren!

Gemeinschaftlicher Besitzstand im Verbraucherschutz muss zu einem höheren Schutzniveau fortentwickelt werden fordert André Brie.

Zur Entschließung des Europäischen Parlaments über das Grünbuch zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz erklärt André Brie MdEP, Koordinator der Linksfraktion im EP (GUE/NGL) im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz:

Verbraucherrechte in Europa stärken statt deregulieren!

„Der gemeinschaftliche Besitzstand im Verbraucherschutz muss zu einem höheren Schutzniveau in der Europäischen Union fortentwickelt werden“, fordert André Brie. „Das Europäische Parlament muss progressive Optionen der Kommission in dieser Hinsicht unterstützen: Einführung eines Sammel- und Verbandsklagerechts im Verbraucherschutz, Ausweitung der Prüfung missbräuchlicher Vertragsklauseln und der Verletzung von Informationspflichten auf alle Bestandteile von Verbraucherverträgen inklusive der Preisprüfung, Einführung allgemeiner vertraglicher Rechtsbehelfe und eines Systems der Produkthaftung (Produzenten und Händler) und vieles mehr sind nötig, um Verbraucherrechten im EU-Binnenmarkt besser Geltung zu verschaffen“, so der Abgeordnete.

„Die Linke im Europäischen Parlament kritisiert, dass Konservative, Liberale und Sozialdemokraten mit ihrer Entschließung eine entsprechende Stärkung von Verbraucherrechten in der EU explizit ablehnen. Die Mehrheit des Europäischen Parlaments warnt vor einer ‚Überregulierung’ des Binnenmarkts. Sie betrachtet hohe Verbraucherschutznormen offenbar als ‚bürokratisches Hemmnis’ für die Vollendung des Binnenmarkts und stellt die Interessen der Unternehmer über die Interessen von Millionen europäischer Verbraucherinnen und Verbraucher. Diese Haltung ist völlig inakzeptabel.“

Die Entschließung des Europäischen Parlaments „spricht sich dagegen aus, dass die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands zum Anlass genommen wird, die Regelungsinhalte der bestehenden sektoralen Richtlinien auszuweiten oder zusätzliche Richtlinien hinzuzufügen“. Doch genau dies ist erforderlich, um den Verbraucherschutz in der EU zu stärken. „Vor allem die Bereiche Telekommunikation, Energieversorgung, Verkehr und digitale Inhalte müssen z.B. diesbezüglich stärker in den Blick genommen werden“, so Brie.

Das Grünbuch der Europäischen Kommission hat die Einführung eines „horizontalen Instruments“ (z.B. Rahmenrichtlinie zu grundlegenden Verbraucherrechten) ins Auge gefasst. „Dies begrüßen wir“, so Brie, „doch lehnen wir die von der Mehrheit des EP vorgeschlagene maximale Harmonisierung als Vorgehensweise ab. Wenn sich 27 Mitgliedstaaten von Schweden bis Rumänien auf Maximalstandards verständigen müssten, kommt nur der kleinste gemeinsame Nenner dabei heraus. Dann würden höhere nationalstaatliche Verbraucherschutzstandards abgeschafft und Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher um ihre bisher geltenden stärkeren Rechte gebracht. Nötig ist eine Harmonisierung auf Basis möglichst hoher Mindeststandards, welche ein höheres Schutzniveau in einer Reihe von Mitgliedstaaten weiterhin ermöglichen würden.“

Die Mehrheit des Europäischen Parlaments will bei den bestehenden sektorspezifischen Verbraucherrichtlinien (z.B. Haustürverkäufe, Fernabsatz, Pauschalreisen usw.) so genannte „Binnenmarktklauseln“ nach dem Prinzip der „gegenseitigen Anerkennung“ einführen. Damit könnte z.B. Deutschland die Verbraucherschutzstandards von Bulgarien als „gleichwertig“ anerkennen und bulgarische Hersteller und Händler in Deutschland nach bulgarischem Verbraucherrecht tätig werden.

„Dies führt zu einer Aushöhlung hoher nationalstaatlicher Verbraucherschutzstandards und ist deshalb abzulehnen“, so Brie. „Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung widerspricht auch dem internationalen Rom I und II-Abkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht. Nach diesem Abkommen kann entweder das Verbraucherrecht des Wohnlandes oder dasjenige des Lieferanten gewählt werden, sofern dieses höheren Schutz beinhaltet. Verbraucherinnen und Verbraucher sind vor allem daran interessiert, Verträge nach dem Recht ihres Wohnsitzlandes abzuschließen, das ihnen am ehesten bekannt ist.“

„Nach der Veröffentlichung des Grünbuches und der Entschließung des EP hat die Auseinandersetzung um neue rechtliche Regelungen erst begonnen. Die Linke im Europäischen Parlament wird gemeinsam mit Verbraucherschutzverbänden und anderen den Druck auf Parlament, Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten verstärken, damit die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz nicht zu einer Deregulierungsorgie verkommt. Die öffentliche Diskussion um eine Stärkung von Verbraucherrechten muss intensiviert werden“, so Brie abschließend.