EU verpflichtet nicht zur Marktöffnung im ÖPNV

Das Europäische Parlament hat heute (10. Mai 2007) seinen Bericht zur Neuregelung des öffentlichen Personennahverkehrs in 2. Lesung angenommen. Nach der Abstimmung erklärt Helmuth Markov:

„Ich beglückwünsche meinen Fraktionskollegen Erik Meijer zum nun erreichten Kompromiss, dem fünf Jahre Beratungen mit Rat, Kommission, regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften und Verkehrsbetreibern, Gewerkschaften sowie Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen vorangegangen waren. Dem ursprünglichen Verordnungsentwurf der Kommission vom Juni 2000, der vorsah, den Wettbewerbsregeln des EU-Binnenmarktes den Vorrang vor dem öffentlichen Interesse zu geben und eine allgemeine Ausschreibungspflicht im ÖPNV verbindlich festzuschreiben, konnte eine weitestgehend veränderte Grundtendenz gegeben werden:

Regionen und Kommunen steht es auch Zukunft frei zu entscheiden, ob sie Verkehrdienste selbst erbringen oder für den Wettbewerb öffnen wollen. Öffentliche Verkehrsdienstleistungsaufträge mit einem Durchschnittswert von weniger als 1 Mio. € oder einer Verkehrsleistung von maximal 300.00 km pro Jahr können generell ohne Ausschreibung auch an Dritte vergeben werden. Diese Schwellen erhöhen sich auf 3 Mio. € bzw. 1 Mio. km, wenn es sich um KMU mit 50 bis 250 Angestellte handelt. Auch Verkehrsverbünde können ihren Markt weiterhin schützen, sofern die Betreiber ihres Verkehrswesens nicht auf anderen Märkten als Wettbewerber auftreten. Vereinbarungen zwischen verschiedenen Verkehrsverbünden über Verbindungen in die jeweiligen Verkehrsgebiete bleiben ebenfalls unberührt, solange sie nicht zur Marktkonkurrenz zwischen Unternehmen führen.

Statt einem Verdrängungswettbewerb zugunsten privater Großunternehmen, Lohnsenkungen und Arbeitsplatzunsicherheit Tür und Tor zu öffnen, macht die EU hier das, was ihre Aufgabe ist: Sie gibt einen gemeinsamen Rahmen vor, der auf der einen Seite dem Funktionieren dieser Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge überall in der Union dient, überlässt es aber den kompetenten Entscheidungsträgern vor Ort, in welcher Form die Umsetzung erfolgt.

Entgegen einem Antrag der Linksfraktion ist den Mitgliedstaaten leider nicht vorgeschrieben, Arbeitnehmer gegen Lohnkürzungen und Entlassungen zu schützen. Dies ist jedoch ebenfalls mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip ausdrücklich ebenso erlaubt wie Vergabeentscheidungen auf der Grundlage von sozialen und Qualitätskriterien. Die konkreten Regelungen über Mindestarbeitsstandards, Fahrgastrechte, Umweltschutz, Tarifvereinbarungen u. ä. bleiben in der Verantwortung der Gebietskörperschaften.

Liberalisierung und Privatisierung werden damit sicherlich nicht ausgeschlossen, aber eben auch keineswegs verpflichtend. Soziale Standards werden nicht auf EU-Ebene eingeführt, aber hier auch nicht abgeschafft. Der Stoßrichtung der Lissabon Agenda wird damit in diesem Bereich eine klare Grenze gesetzt.“