Gesundheitsdienste keine Angelegenheit des Marktes

Zur heutigen Abstimmung über die Entschließung des Europäischen Parlaments über „Die Konsequenzen des Ausschlusses der Gesundheitsdienste von der Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt“ erklärt André Brie MdEP, Koordinator der Linksfraktion im Europäischen Parlament (GUE/NGL) im EP-Binnenmarktausschuss, dass Gesundheitsdienste keine Angelegenheit des EU-Binnenmarkts sind, sondern Teil der sozialen Sicherungssysteme.

Das Europäische Parlament hat erwartungsgemäß die Forderung seines Binnenmarktausschusses zurückgewiesen, die Gesundheitsdienste wieder in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie hinein zu nehmen. Das ist gut so. Gesundheitsdienste gehören nicht in eine Richtlinie zur Liberalisierung des EU-Binnenmarktes.

Schlecht ist, dass die Mehrheit des Parlaments von der Kommission verlangt, die verschiedenen Einzelfallurteile des Europäischen Gerichtshofs zu Gesundheitsdiensten durch ein geeignetes EU-Instrument zu kodifizieren. Damit will die Mehrheit des Parlaments einen Kurs in der EU stärken, wonach die Gesundheitsdienste grundsätzlich dem Binnenmarkt- und Wettbewerbsrecht unterliegen sollen. Es verlangt „Klarstellungen“ zur Erstattung von Behandlungskosten in einem anderen Mitgliedstaat, zum Begriff einer ‚unverhältnismäßigen Wartezeit’ und eine sehr restriktive Definition von Krankenhausversorgung. Damit unterstützt das Parlament grundsätzlich die Positionen, welche die Kommission bereits in ihrem ursprünglichen Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie in Bezug auf das Gesundheitswesen verankern wollte. Die Mehrheit des Parlaments will „Bolkestein durch die Hintertür“ – nunmehr durch einen EU-Gemeinschaftsrahmen für Gesundheitsdienste. Die Linksfraktion im Europäischen Parlament (GUE/NGL) hat deshalb diese Entschließung abgelehnt.

Die Europäische Kommission hat in ihrem Bericht über die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation über „Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen“ zwei verschiedene Optionen für die weitere Arbeit benannt: Entweder die „Aufnahme von Änderungen in den Verordnungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“ oder alternativ „eine neue Richtlinie über Gesundheitsdienstleistungen“.

Die Linksfraktion im Europäischen Parlament fordert Kommission und Rat auf, den ersten Weg zu gehen. Die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten wird schon lange durch die EU-Verordnung zur Koordinierung der Sozialschutzsysteme (1408/71 bzw. jetzt 882/2004) geregelt. Dies muss auch weiter so bleiben, denn Gesundheit ist keine Ware und keine Angelegenheit von Markt und Wettbewerb. Alle vom Parlament angesprochenen Fragen – von der Übernahme der Behandlungskosten im EU-Ausland, der Vorabgenehmigung von Behandlungen im EU-Ausland und ihrer Modalitäten, der Definition unverhältnismäßiger Wartezeiten, zur Rechtshilfe bei Behandlungsfehlern bis hin zu einer Europäischen Charta der Patientenrechte können und müssen in diesem Rahmen behandelt und geklärt werden. Wir brauchen keine neue Richtlinie über Gesundheitsdienstleistungen, welche das alte „Bolkestein-Projekt“ nun in anderer Form vorantreibt.