EPAs als Entwicklungshilfe eine Farce
Experten beraten im Europäischen Parlament über die Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf die ärmsten Länder der Welt.
Am 18. September fand im Europäischen Parlament auf Initiative der GUE/NGL-Fraktion im Europäischen Parlament die Anhörung „EPAs – eine Gefahr für Entwicklung?” statt. Unter der Leitung des Vorsitzenden des Ausschusses für Internationalen Handel, Helmuth Markov, Abgeordneter für DIE LINKE., berieten in Brüssel Experten und Abgeordnete über die Auswirkungen der geplanten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements / EPAs) zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik).
Die Referenten aus europäischen und afrikanischen Ländern sowie die anwesenden Gäste, darunter viele Botschaftsvertreter afrikanischer Staaten, wurden vom Fraktionsvorsitzenden der GUE/NGL, Francis Wurtz, begrüßt. Wurtz eröffnete die Konferenz mit einer kurzen Erläuterung zur Außenhandelsstrategie der Europäischen Union und zur Entwicklung der Beziehungen zischen EU und AKP-Staaten seit den Abkommen von Yaoundé, Lomé und Cotonou. Er kritisierte, dass die Entwürfe der EPAs als deren Nachfolgeabkommen de facto auf Freihandelsabkommen hinausliefen und Entwicklungsfragen darin kaum noch eine Rolle spielten.
„Die Kommission sieht Freihandel als ‚unvermeidbar‘ an. Ihrer Vision zufolge kann allein der freie Markt Entwicklung fördern. Mit den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, so versprechen die EU-Unterhändler, könnten Wirtschaftswachstum und eine Verminderung der Armut in Entwicklungsländern erreicht werden. In der Realität ist allerdings eher das Gegenteil der Fall”, so Wurtz. Er wies darauf hin, dass sogar Untersuchungen der Europäischen Kommission selbst ergeben haben, dass die das in den EPAs vorgesehene Prinzip der Reziprozität Entwicklungsländer noch schlechter stellen als es unter dem bestehenden System der Fall ist. „Diese Studien wurden aber einfach weggeheftet”, empörte sich der Abgeordnete.
Timothy Kondo, Koordinator von ANSA (Alternativen zum Neoliberalismus im Südlichen Afrika), kritisierte, dass Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen überhaupt nicht in den Verhandlungsprozess einbezogen, ja kaum über dessen Inhalte und Verlauf informiert würden. Zudem sei die Zeit bis Ende 2007 viel zu kurz, um mögliche Auswirkungen der vorgeschlagenen Abkommen gründlich zu analysieren und Vorschläge der afrikanischen Partner aufzunehmen. Die von der EU vorgegebene der AKP-Staaten in neue regionale Gruppen, mit denen einzeln verhandelt wird, gefährde darüber hinaus insbesondere in Afrika den über viele Jahre mühsam entwickelten regionalen Zusammenhalt der bestehenden Bündnisse. ANSA hingegen sei ein Programm, welches der kolonialistischen EU-Handelspolitik einen partizipativen politischen, sozialen und nachhaltigen Ansatz gegenüberstellt. Erste Ideen dazu entstanden bereits Mitte der 1990er Jahre aus der Gewerkschaftsbewegung im südlichen Afrika heraus.
Mamadou Cissokho aus Senegal, Vorsitzender der westafrikanischen Bauernvereinigung ROPPA, bezog sich auf die Verschuldung der ärmsten afrikanischen Länder. Er erläuterte, dass staatliche Programme zur Unterstützung afrikanischer Kleinbauern zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung eingestellt werden mussten, da auf Druck internationaler Organisationen öffentliche Gelder zur Schuldentilgung verwendet, statt im Land investiert werden. Cissokho erklärte: „Von den 15 ostafrikanischen Staaten gehören 12 zu den ärmsten Ländern der Welt. Ihre Verschuldung beträgt 93 Milliarden Dollar bzw. 123% ihres Bruttoinlandsprodukts. Dies verhindert wichtige Investitionen, z.B. in öffentliche Dienstleistungen und Infrastruktur, und schadet somit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung insgesamt.” Die neuen Abkommen, so Cissokho, würden diesen Trend noch verstärken. Er habe absolut kein Verständnis für diese Strategie.
Marc Maes von der belgischen Organisation 11.11.11, die an der Kampagne ‚Stop EPA’ beteiligt ist, beklagte, dass die Europäische Kommission „taub sei für die Interessen der AKP-Staaten” und die Forderung vieler afrikanischer Staaten, ein Kapitel Entwicklung’ in die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen aufzunehmen, ablehne. „Die wirtschaftlichen Interessen der EU sind das Einzige, was in den von der Kommission vorgeschlagenen Abkommen zählt”, sagte Maes. „Für die afrikanischen Staaten, die zunehmend unter dem Druck der EU stehen, bis zum Ende des Jahres die EPAs zu unterzeichnen, ist es, als würden sie einen Blankoscheck an die EU ausstellen”, erklärte er.
Eine engere Zusammenarbeit zwischen den sozialen Bewegungen, dem Weltsozialforum, dem Europäische Sozialforum und den Gewerkschaften forderte Vittorio Agnoletto, italienischer Abgeordneter der GUE/NGL im Europäischen Parlament, Auch die Abgeordneten der verschiedenen afrikanischen und europäischen Länder bei ihrer Arbeit müssten verstärkt und direkt miteinander kooperieren.
Scharf war die Kritik am Prinzip der ‚Reziprozität‘. Helmuth Markov: „In den EPAs wird einerseits Gleichbehandlung sehr ungleicher Partner beim Abbau von Industriezöllen gefordert, gleichzeitig aber schützt die EU ihre Agrarproduktion weiterhin mit massiven Subventionen. Es kann nicht sein, dass wir Entwicklungsländer zwingen, Freihandelsabkommen zu unterzeichnen und ihnen dann die Zugangschancen auf unsere Märkte durch Subventionen an unsere Landwirte wieder zu verschließen. Diese Staaten haben oft noch gar keine Industrie für die Exportproduktion. Agrarexporte und Einfuhrzölle sind daher für ihre Staatshaushalte häufig die einzige Einkommensquelle”. Er schloss die Veranstaltung mit der Forderung nach transparenten und fairen Verhandlungen über echte Entwicklungspartnerschaften, die den Bedürfnissen der Menschen in Nord und Süd gerecht werden, statt ausschließlich den Gewinninteressen der Konzerne in den Industrieländern zu nützen.
Die Anhörung geht dem Internationalen StopEPA-Tag am 27.09-2007 voraus, der von NGOs aus allen Teilen der Welt organisiert wird.