Gute Arbeit statt Flexploitation – Ein offener Brief an die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament
Flexicurity’ oder Flexploitation’:
Warum die Europäische Beschäftigungsstrategie auf das Konzept „Gute Arbeit“ ausgerichtet werden muss.
Flexicurity’ oder Flexploitation’:
Warum die Europäische Beschäftigungsstrategie auf das Konzept „Gute Arbeit“ ausgerichtet werden muss.
Von Francis Wurtz MdEP, Kartika Liotard MdEP, Roberto Musacchio MdEP und Gabi Zimmer MdEP
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir schreiben Ihnen, weil wir die Vorschläge der Europäischen Kommission zum Thema Flexicurity’ sehr besorgniserregend finden. Die Kommission will Flexicurity’ zum übergreifenden Querschnittsthema der Europäischen Beschäftigungsstrategie und der Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung für die Periode 2008 – 2010 machen.
Die Flexicurity’-Agenda der Kommission zielt auf weitere Deregulierung
Aus unserer Sicht zielt die Flexicurity’-Agenda der Kommission auf eine weitere Deregulierung der Arbeitsmärkte in Europa. Die vorgeschlagene Flexicurity’-Strategie will die aktivierende’ Arbeitsmarktpolitik nach dem Motto „Arbeit muss sich lohnen“ fortführen, die bereits im Rahmen der Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung verfolgt wird. „Arbeit muss sich lohnen“ zielt dabei nicht etwa auf höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Erwerbslose werden vielmehr durch sie gezwungen, Arbeitsangebote mit niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, weil man ihnen andernfalls die Arbeitslosenunterstützung kürzt oder ganz streicht. Aktivierende’ Arbeitsmarktpolitik nach dem Motto „Arbeit muss sich lohnen“ erhöht drastisch die Zumutbarkeitskriterien und Pflichten der Erwerbslosen und mindert ihre Rechte und Ansprüche. Sie steht im Gegensatz zum Flexicurity’-Gedanken, weil sie auf einer Reduzierung von Sozialschutz und Sozialleistungen beruht. Letztere sollen laut Flexicurity’ aber angeblich verbessert werden.
Die Europäische Kommission vertritt die Auffassung, dass Arbeitsverträge flexibler gestaltet werden müssen. Damit würde der auf Vollzeitarbeit abstellende unbefristete Arbeitsvertrag untergraben, der derzeit noch die Norm im Rahmen des gemeinschaftlichen Besitzstandes der EU im Sozialbereich ist. Das Niveau des Kündigungsschutzes sei in vielen Mitgliedstaaten zu hoch und müsse reduziert werden. Mit der Flexicurity’-Agenda der Kommission würden die Unternehmen die „Flexibilität“ erhalten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leichter entlassen zu können. Gleichzeitig kämen die Arbeitgeber in den Genuss der „Sicherheit“, künftig Belegschaften zu erhalten, die durch „Workfare“-Politiken (strafende Arbeitsmarktpolitik) diszipliniert und dazu verdammt werden, jede Beschäftigung anzunehmen, auch wenn es sich um prekäre Arbeit handelt.
Die Kommission schlägt eine neue’ Art von sozialer Sicherheit vor, welche die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte stärkt und im Wesentlichen auf dem Versprechen eines verbesserten Zugangs zu lebenslangem Lernen und Fortbildung beruht. Die Kosten für solche Maßnahmen sollen laut Ansicht der Kommission jedoch verstärkt von den Einzelnen und der öffentlichen Hand aufgebracht werden. Im Vergleich zum traditionellen’ Kündigungsschutz und der Absicherung des Risikos von Einkommensverlust bleibt die neue’ Sicherheit durch Flexicurity’ wenig greifbar. Bloßer Zugang zu Aus- und Weiterbildung und lebenslangem Lernen verschafft den Einzelnen keine einklagbaren Rechte und Ansprüche. Die Agenda der Kommission enthält keinerlei Vorschläge zur Verbesserung von sozialer Sicherheit – während selbst das Flexicurity’-Konzept der OECD auf großzügige’ Arbeitslosenunterstützung und volle soziale Absicherung bei Arbeitsmarktübergängen pocht. Die Forderungen der Kapitalseite nach mehr Flexibilität werden von den Vorschlägen der Kommission voll bedient. Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Erwerbslose sähen ihre Rechte auf Kündigungsschutz und Einkommenssicherung allerdings dahinschwinden, um im Gegenzug nur mit bloßen Versprechen besserer Angebote zum lebenslangen Lernen abgespeist zu werden.
Wir sind der Auffassung, dass die Vorschläge der Kommission deshalb ehrlicherweise als ein Programm für verstärkte Flexploitation’ (Flexibilität und Ausbeutung) der Lohnabhängigen in Europa bezeichnet werden müssen.
Wir finden, dass die Überprüfung der Europäischen Beschäftigungsstrategie und der Integrierten Leitlinien’ für den nächsten Zyklus von 2008 – 2010 nicht auf dem Flexicurity’-Konzept der Kommission aufbauen darf. Vielmehr muss sie auf die Förderung der Qualität der Erwerbsarbeit, verbesserte soziale Sicherheit und soziale Eingliederung, gestärktes soziales Risikomanagement und bessere Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben orientiert werden.
Gute Arbeit’ muss zum europäischen Leitbild für die Überarbeitung des Leitlinienpakets 2008 – 2010 werden
Das Konzept Gute Arbeit’ wurde bereits durch die Schlussfolgerungen des informellen Gipfels der Arbeits- und Sozialminister der Europäischen Union am 19. Januar 2007 auf die Tagesordnung der EU gesetzt. Es muss zum übergreifenden Leitbild für die Erneuerung der Europäischen Beschäftigungsstrategie werden: „Europa braucht vermehrte und gemeinsame Anstrengungen zur Förderung GUTER ARBEIT. GUTE ARBEIT bedeutet Arbeitnehmerrechte und Teilhabe, faire Löhne, Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit sowie eine familienfreundliche Arbeitsorganisation. Gute und faire Arbeitsbedingungen sowie ein angemessener sozialer Schutz sind unabdingbar für die Akzeptanz der Europäischen Union bei den Bürgerinnen und Bürgern.
Die Minister unterstrichen weiterhin, dass die Mitgliedstaaten „entsprechend ihren nationalen Gepflogenheiten das Standardarbeitsverhältnis zu stärken und seine Umgehung durch atypische Beschäftigungsformen zu begrenzen“ hätten, dass die „familienfreundliche Gestaltung der Arbeit konsequent fortzuentwickeln“ sei, dass atypische Beschäftigungsverhältnisse „nicht dazu missbraucht werden (dürfen), Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihren Rechten auszuschließen“ und dass „klare Rahmenbedingungen für einen guten beruflichen Einstieg“ jüngerer Menschen geschaffen werden müssen.
Wir bedauern sehr, dass der Vorschlag des Beschäftigungs- und Sozialausschusses des Europäischen Parlaments für eine Stellungnahme zu Flexicurity’ (Berichterstatter Ole Christensen von der Sozialdemokratischen Fraktion) auf diese Schlussfolgerungen des Ministertreffens nicht explizit Bezug nimmt und das Konzept Gute Arbeit’ nur sehr beiläufig erwähnt. Wir glauben, dass die gesamte Linke im breiteren Sinne sich für Gute Arbeit’ und Qualität der Arbeitsplätze einsetzen muss – gab doch der (ehemalige) deutsche Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) den Anstoß, das Konzept Gute Arbeit’ auf die Agenda der Europäischen Union zu setzen.
Warum sollte das Europäische Parlament nicht die EU Minister für Beschäftigung und Soziales beim Wort nehmen und eine Diskussion über die notwendigen Instrumente und Maßnahmen einfordern, um „Gute Arbeit pur“ in die Praxis umzusetzen – statt sich mit einigen Anpassungen des verfehlten Flexicurity’-Konzepts der Europäischen Kommission zufrieden zu geben?
Begrüßenswerte Fortschritte in der Stellungnahme des EP-Beschäftigungsausschusses
Wir freuen uns, dass die vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Fragen des Europäischen Parlaments vorgeschlagene Stellungnahme zu Flexicurity’ jetzt einige wichtige Verbesserungen im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf des Berichterstatters aufweist. Die Formulierung, dass der „Kündigungsschutz ein Hindernis für Einstellungen“ sei, wurde gestrichen. Das Recht auf Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung wird nunmehr unterstrichen, der Schutz vor Beschäftigungslosigkeit (Vermeidung längerer Erwerbslosigkeit) und parallel dazu verbesserter Kündigungsschutz (Verlust des Arbeitsplatzes) werden gefordert. Wie schon in der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zum Grünbuch Modernisierung des Arbeitsrechts’ geschehen, pocht der EP-Beschäftigungsausschuss auf den unbefristeten Arbeitsvertrag als europäische Norm, auf einen breiten Kern von Arbeitnehmerrechten unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses (reguläre oder atypische Beschäftigung) und auf die Bekämpfung von Schwarzarbeit. Weiterhin werden eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben, das Recht auf Zugang zu Aus- und Weiterbildung, gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit von Frauen und Männern sowie neue Indikatoren zur Qualität der Erwerbsarbeit gefordert. Beschäftigungsübergänge (von einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen) sollen so abgesichert werden, dass grundlegende soziale Rechte (Anspruch auf Rente, Arbeitslosenunterstützung, Umschulung und Weiterbildung) dabei erhalten bleiben. All dies sind soweit begrüßenswerte Fortschritte.
aber immer noch starke Unterstützung für die Deregulierungsabsichten der Kommission.
Die Stellungnahme des EP-Beschäftigungsausschusses hält dennoch deutlich am deregulierungsorientierten Flexicurity’-Konzept der Kommission fest. Sie unterstützt vehement die vier Pfeiler des Flexicurity’-Ansatzes, die die Kommission vorgeschlagen hat: unter anderem die aktivierende Arbeitsmarktpolitik und „moderne soziale Sicherungssysteme“. Dies beinhaltet jedoch die Fortsetzung einer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik im Geiste von „workfare“ und „Arbeit muss sich lohnen“.
Die Stellungnahme will das lebenslange Lernen fördern. Doch die Sozialdemokratische Fraktion im EP-Beschäftigungsausschuss stimmte gemeinsam mit den Konservativen dafür, die im ursprünglichen Entwurf enthaltene Forderung nach einer Zielvorgabe für Investitionen der Mitgliedstaaten in lebenslanges Lernen von 2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu streichen. Genau wie bei der Kommission sagt die Stellungnahme nichts über Rechte und Ansprüche der Lohnabhängigen auf Aus- und Weiterbildung, lebenslanges Lernen usw. und fordert auch nicht, dass die Unternehmen solche Maßnahmen zu finanzieren haben. Wir meinen, die Sozialdemokratische Fraktion sollte sich in der endgültigen Abstimmung der Stellungnahme im Plenum des Europäischen Parlaments dafür einsetzen, die Zielvorgabe von 2 Prozent des BIP für lebenslanges Lernen wieder aufzunehmen.
Die Stellungnahme des EP-Beschäftigungsausschusses spricht sich für „anpassungsfähige und verlässliche Arbeitsvertragsverhältnisse, einschließlich der unbefristeten Verträge“ aus. Somit wird das Anliegen der Kommission voll unterstützt, das Normalarbeitsverhältnis zu flexibilisieren. Dies steht im krassen Gegensatz zu den sonst dort enthaltenen Lippenbekenntnissen zur Förderung des „sozialen Aufstiegs“ (z.B. von geringfügigen und anderen atypischen Beschäftigungsverhältnissen in reguläre und unbefristete Arbeitsverträge). Die Stellungnahme fordert eine deutliche Rolle rückwärts im Vergleich zum bestehenden gemeinschaftlichen sozialpolitischen Besitzstand!
Die Stellungnahme des EP-Beschäftigungsausschusses geht kaum auf die Lage von Frauen ein, obwohl diese am meisten von flexiblen, atypischen und prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen sind. Wir bedauern sehr, dass der Berichterstatter es ablehnte, die wesentlichen Vorschläge der Stellungnahme des EP-Frauenausschusses im Beschäftigungsausschuss auch nur abstimmen zu lassen. Wir finden, dass die Kenforderungen des Frauenausschusses in der endgültigen Stellungnahme des Europäischen Parlaments aufgegriffen werden müssen, um das Recht auf Gleichstellung von Frauen und Männern zu unterstreichen.
Die Stellungnahme des EP-Beschäftigungsausschusses will Flexibilisierung deutlich fördern, weil diese die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärke. Sie ignoriert Forschungsergebnisse, wonach flexible Arbeitsmärkte nicht unbedingt zu mehr Beschäftigungswachstum führen als stark regulierte und wonach größere Flexibilisierung mit wachsender Segmentierung der Arbeitsmärkte und einem Anstieg prekärer Beschäftigungsverhältnisse einhergeht. Ebenso wird ignoriert, dass flexible betriebliche Arbeitszeitregelungen in der Mehrheit der Fälle nicht so gestaltet sind, dass Erwerbs- und Privatleben der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich besser vereinbaren lassen, sondern häufig durch wechselnde und unregelmäßige Arbeitszeiten arbeitsplatzbedingte Gesundheitsprobleme verschärfen.
Starke Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit der Lohnabhängigen fehlen
Wenn man die Stellungnahme des EP-Beschäftigungsausschusses lediglich an seinem selbst proklamierten Flexicurity’-Ideal misst – „Flexibilität und Sicherheit, die sich gegenseitig verstärken sollten“ – so fällt auf, dass das in dieser Formel enthaltene Versprechen auch verbesserter Sicherheit in wichtigen Punkten nicht eingelöst wird:
Wo sind die Instrumente, um Beschäftigungsübergänge und „sozialen Aufstieg“ in die Praxis umzusetzen, wenn die überarbeitete Europäische Beschäftigungsstrategie weiterhin auf „Arbeit muss sich lohnen“ und „aktivierende“ Arbeitsmarktpolitik setzt, welche die Menschen in niedrig entlohnte, ungesicherte und prekäre Arbeitsverhältnisse zwingt? Wo werden Rechte, Ansprüche und die Finanzierung von Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung, lebenslanges Lernen usw. klar benannt?
Was genau muss getan werden, um den Anstieg prekärer Beschäftigung oder den „Missbrauch in Bezug auf bestimmte atypische Beschäftigungsverhältnisse“ umzukehren? Die Sozialdemokratische Fraktion (PES) fordert eine europäische Mindestlohnpolitik mit einer Zielvorgabe, dass die nationalen Mindestlöhne zumindest 50% des nationalen Durchschnittslohns entsprechen sollen. Deshalb müsste die PES eigentlich mit uns darin übereinstimmen, Forderungen nach einer EU-weit koordinierten Politik für Mindestlöhne und praktische Schritte zur Bekämpfung prekärer Beschäftigung, ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse und Armutslöhne in die endgültige Stellungnahme des Europäischen Parlaments aufzunehmen.
Was muss getan werden, um im wirklichen Leben eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben durchzusetzen, auch im Hinblick auf Bedürfnisse der Lohnabhängigen nach Freistellungen in bestimmten Lebensphasen („work-life-balance“ – z.B. Absicherung von Freistellungszeiten wegen Erziehung, Fort- und Weiterbildung, Pflege, Sabbaticals usw. durch vollen Sozialschutz und ausreichende Einkommen)?
Wie kann das Europäische Parlament ernsthaft für sich in Anspruch nehmen, im Rahmen des Flexicruity’-Ansatzes die soziale Sicherheit verbessern zu wollen – wenn es bei der Revision der EU-Arbeitszeitrichtlinie gleichzeitig für flexible Jahresarbeitszeiten auch ohne die Bedingung kollektivvertraglicher Regelungen eintritt und die klare Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Bereitschaftszeiten und Ausgleichsruhezeiten deutlich abschwächen will?
Die Stellungnahme des EP-Beschäftigungsausschusses gibt keine substanziellen Antworten auf diese Fragen. Unsere Fraktion hat diesbezüglich einige Vorschläge und Instrumente benannt. Was denkt die Sozialdemokratische Fraktion in dieser Hinsicht? Wo sind gegebenenfalls die konkreten Vorschläge der PES, um die soziale Sicherheit zu stärken?
Indikatoren ablehnen, die das Ziel eines Sozialen Europa’ untergraben
Geeignete Indikatoren für die Politikentwicklung 2008 – 2010 auszuwählen, ist ein anderer wichtiger Punkt bei der Überprüfung der Europäischen Beschäftigungsstrategie und der Integrierten Leitlinien’. Wir unterstützen voll und ganz die Forderung des Europäischen Gewerkschaftsbundes, die Nutzung des OECD-Indikators zum Niveau des Kündigungsschutzes im Rahmen der Leitlinien rigoros abzulehnen. Mit Berufung auf diesen Indikator würden die Mitgliedstaaten dazu ermutigt, ihr Kündigungsschutzniveau zu senken und Kernprinzipien des gemeinschaftlichen sozialpolitischen Besitzstandes zu unterlaufen. Wir hoffen, dass die Sozialdemokratische Fraktion auch weiterhin für die Ablehnung der Nutzung dieses Indikators offensiv eintritt.
Der Vorschlag der Kommission für einen neuen Indikator über „Arbeitslosigkeits-Fallen“ muss ebenfalls entschieden zurückgewiesen werden. Dieser Indikator soll messen, inwiefern Erwerbslose sich besser stehen, wenn sie ein Arbeitsangebot annehmen statt weiter Arbeitslosenunterstützung zu beziehen. Er beruht auf der Annahme, dass der wesentliche Effekt der Arbeitslosenunterstützung darin besteht, für Erwerbslose den Anreiz zu mindern, eine Arbeit anzunehmen. Würde dieser Indikator im Rahmen von Flexicurity-Reformen’ genutzt, so würden die politisch Verantwortlichen darin bestärkt, die Großzügigkeit’ ihrer Sozialleistungssysteme in Frage zu stellen und so das selbst proklamierte Ziel von sicheren Arbeitsmarktübergängen und „sozialem Aufstieg“ zu konterkarieren.
Wir wissen: die Konservativen im Europäischen Parlament machen mächtig Druck bei zentralen Fragen der Flexicurity’-Debatte. Deshalb rufen wir alle fortschrittlichen Kräfte im Europäischen Parlament dazu auf, ein Bündnis zu bilden für mehr soziale Sicherheit und die Einschränkung solcher Formen von Flexibilität, welche die Lohnabhängigen belasten und benachteiligen. Ein Soziales Europa’ entschieden zu fördern ist die einzig angemessene Antwort auf den mehr als unausgewogenen Deregulierungskurs des Flexicurity-Ansatzes der Europäischen Kommission. Dies können die Einwohnerinnen und Einwohner der EU zu Recht vom Europäischen Parlament erwarten.
Zur Information: Francis Wurtz MdEP ist Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Europäischen Parlament (GUE/NGL); Kartika Liotard MdEP war Berichterstatterin für die Stellungnahme des EP-Frauenausschusses zu Flexicurity’; Roberto Musacchio ist Schattenberichterstatter der Linksfraktion zu Flexicurity’; Gabi Zimmer MdEP ist Koordinatorin der Linksfraktion im EP für den Beschäftigungsausschuss