EU-Militär in die DR Kongo: Fortsetzung neokolonialer Interventionspolitik?, Afrika Süd 2/2006
Offiziell soll es bei der EU-Kongo-Militärintervention um den Schutz der Wahlen gehen, die erneut verschoben wurden. Der Wahlsieger steht mit Präsident Laurent Kabila, dem die EU mit Militärberatern und Polizeitruppenhilfe massiv unter die Arme greift, schon vorab fest. Die größte Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) wird wegen der Unregelmäßigkeiten bei der Wählerregistrierung nicht an den Wahlen teilnehmen. Oppositionsführer Etienne Tshisekedi von der UDPS gilt als einziger ernst zu nehmender Herausforderer Präsident Joseph Kabilas auf nationaler Ebene.
Interessant ist dann aber, dass von den geplanten 1500-Soldaten-Einsatz-Kontigent der EU, lediglich 500 französische Fallschirmjäger in Kinshasa selbst am Flughafen stationiert werden, um eventuell Wahlbeobachter evakuieren zu können. Wer behauptet, es gehe bei diesem Einsatz um die Menschen im Kongo sollte diese Realitäten zur Kenntnis nehmen. Interessant ist auch, dass das deutsche Kontingent auf einem Kriegsschiff vor der kongolesischen Küste und auf einem französischen Militärstützpunkt in Gabun auf seinen Einsatz warten soll. Der deutsche Verteidigungsminister Franz-Josef Jung sagt ganz deutlich, warum deutsche Truppen unter EU-Flagge in den Kongo entsandt werden sollen: „Es geht auch um zentrale Sicherheitsinteressen unseres Landes! Wenn wir nicht dazu beitragen, den Unruheherd Kongo zu befrieden, werden wir mit einem großen Flüchtlingsproblem in ganz Europa zu tun bekommen.“ Und weiter: „Stabilität in der rohstoffreichen Region nützt auch der deutschen Wirtschaft.“ CDU-Abgeordnete legten nach: Andreas Schockenhoff, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, schreibt: „Kongo ist eines der ressourcenreichsten Länder der Welt und verfügt vor allem über strategische Rohstoffe, die für Europa wichtig sind: Wolfram, Mangan- und Chromerze, Kobalt, Uran, Erdöl, Coltan, Beryllium. Europa und Deutschland haben ein Interesse daran, dass der Abbau dieser Ressourcen legal und nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt. Kongo ist das mit Abstand wasserreichste Land auf dem Kontinent.“
Bemerkenswert ist, dass die EU-Militärintervention genau in das kürzlich beschlossene Europäisierungskonzept der französischen Afrikapolitik passt. So will Paris seine fünf großen Militärbasen in Afrika auf drei reduzieren: Senegal, Gabun und Djibouti. Diese sollen mit regionalen afrikanischen Organisationen kooperieren. Für das südliche Afrika (SADC) soll der französische Militärstützpunkt in Reunion zuständig sein. Ziel dieser Afrikanisierung ist zudem so genannte Stand by – Brigaden mit Soldaten aus afrikanischen Ländern aufzubauen, die dann von Paris ausgebildet und ausgerüstete werden sollen. Daneben soll es eine Europäisierung der französischen Sicherheitspolitik in Afrika geben. Zum einen werden die eigenen Militärstrukturen für europäische Partner geöffnet, zum anderen sollen französische Militärinterventionen europäisiert werden.
Die erste autonome EU-Militärintervention 2003 in Bunia/DR Kongo bildete hierfür sozusagen den Prototyp. Dabei will man mit den USA konkurrieren, die ihre militärische Präsenz gerade im südlichen und westlichen Afrika massiv ausweiten. Paradebeispiel ist hier der neue US-Marinestützpunkt in Sao Tomé und Principe um die Ausbeutung der Erdölvorkommen abzusichern.
Der deutschen Afrikapolitik, die unter dem Dach des europäischen Multilateralismus an die französische andockt, geht es erklärtermaßen um Rohstoffe und Markterschließung. In der „Außenpolitischen Strategie zu Zentralafrika“ des Auswärtigen Amts, die vom Dezember 2003 datiert wird dabei noch einmal die Bedeutung der DR Kongo betont: „Schon jetzt sind einige Staaten in Zentralafrika wichtige Erdölproduzenten (Republik Kongo, Gabun, Äquatorialguinea); mittelfristig … dürfte vor allem die DR Kongo aufgrund ihrer Größe, des Rohstoffreichtums und der zentralen Lage an politischem und wirtschaftlichen Gewicht gewinnen.“
Dazu passt die Aussage des Kongo-Experten des Afrika-Vereins, Ingo Badoreck, der sich um die deutsch-afrikanischen Wirtschaftbeziehungen bemüht, auf der Webseite www.tagesschau.de vom 19. April mit den Worten zitiert wird: „Wir müssen da jetzt hin. Da kann man im großen Stil Geld verdienen und der Kuchen wird jetzt verteilt.“
Noch deutlicher allerdings aus der Warte der Kritik der Ausbeutung des Kongo wird der Weltbank-Referent der deutschen Umwelt- und Menschenrechtsorganisation „Urgewald“, Knud Vöcking, der insbesondere auch die Rolle des deutschen Holzunternehmens Danzer im Kongo anprangert. Zudem weist er darauf hin, dass die staatliche Minengesellschaft Gecamines zerlegt wurde: „Alle Minenverträge sind noch vor den Wahlen an private Unternehmen vergeben worden. Auf Anraten der Weltbank.“ (junge welt, 18.04.2006) Bei dieser Privatisierung bereichern sich auch die Familie von Präsident Kabila und Angehörige der War-Lord-Regierung mit westlicher Unterstützung. Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen der von der EU ausgebildeten kongolesischen Polizeitruppen passen da ins Bild.
Zentralafrika wurde schon einmal aufgeteilt. In Berlin bekam 1885 der belgische König Leopold II., dessen frisch renoviertes Reiterstandbild unweit des Europäischen Parlaments in Brüssel steht, den Zuschlag für den Kongo, als seinen „Privatbesitz”. Dieser Status jenseits allen Völkerrechts war in der ganzen Kolonialgeschichte einzigartig. Da mit dem Kongo zugleich auch alle seine Bewohner als rechtloser Privatbesitz angesehen wurden, kam es bei der wirtschaftlichen Ausbeutung zu selbst für die Kolonialzeit solch grausamen Exzessen, dass sie als so genannte Kongogreuel 1908 international für Aufsehen und Empörung sorgten und Leopold zur Übergabe des Kongo als „normale” Kolonie an den belgischen Staat zwangen. König Leopold II. hatte die Eroberung des Kongo mit dem Kampf gegen den Sklavenhandel gerechtfertigt. Auch nach der Unabhängigkeit 1960 begann eine Zeit der belgischen und US-Militärinterventionen, die immer dann Truppen schickten, wenn sie ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen bedroht sahen.
Jetzt soll der Kongo Testfeld sein, für die kommenden Militärinterventionen der Europäischen Union. Die EU wird hier als militärisch basierter Global Player ins Spiel gebracht werden. Humanitäre Gründe werden dabei vorgeschoben, um die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen zu bemänteln. Es wäre eine Katastrophe, wenn die Interventionspolitik der früheren europäischen Kolonialmächte unter dem EU-Sternenbanner fortgesetzt würde.
Der Autor ist parteiloser Europaabgeordneter, Mitglied des Auswärtigen Ausschuss und Koordinator der Linksfraktion (GUE/NGL) im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung sowie Ko-Präsident der Intergruppe Friedensinitiativen im Europäischen Parlament