Port Package II – überflüssig, unsozial, wirtschaftsfeindlich

Dossier

Am 18. Januar wird das Europäische Parlament über die von der EU-Kommission vorgelegte „Richtlinie über den Marktzugang für Hafendienstleistungen“ (Port Package II) abstimmen. Die europaweiten Proteste in den letzten Tagen haben dieses Regelwerk in die Schlagzeilen gebracht. Port Package II würde es u.a. Besatzungen von Frachtern künftig ermöglichen, die Be- und Entladung ihrer Schiffe selbst durchzuführen. Zudem soll Reedern das Betreiben eigener Abfertigungsanlagen in den Seehäfen erlaubt werden. Die damit verbundene Gefährdung bestehender Arbeitsplätze (allein in den deutschen Seehäfen sind rund 11.000 Menschen beschäftigt) ist sicher die gravierendste, jedoch keinesfalls die einzige negative Auswirkung der EU-Vorgabe.

Motive, Inhalt und Entwicklung der Richtlinie

Offiziell begründet wird Port Package mit der angeblich existierenden Notwendigkeit, mehr Wettbewerb bei Hafendienstleistungen zu ermöglichen. Ignoriert wird dabei, dass dieser Wettbewerb längst und effektiv stattfindet, selbst wenn die Dienste in der Mehrzahl der europäischen Häfen durch die öffentliche Hand gemanagt werden. Schon heute stellen Hafendienstleistungen einen entscheidenden Faktor im Konkurrenzkampf der Seehäfen dar.

Im internationalen Vergleich belegt die europäische Hafenindustrie vordere Plätze. Vor den Hamburger Hafenarbeitern wies der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske am 11. Januar darauf hin, dass das Be- und Entladen eines 40-Fuß-Containers im Standardtarif in europäischen Häfen 10 US-Dollar, in nordamerikanischen Häfen 200 Dollar und in asiatischen Häfen 300 Dollar koste. Daneben sind europäische Hafengesellschaften mit hohen Schadenersatzforderungen konfrontiert, wenn Schiffe nicht innerhalb kürzester Frist be- oder entladen werden. In asiatischen und amerikanischen Häfen sind lange Wartezeiten für Schiffe auf Reede dagegen keine Seltenheit. Die Organisation der privaten Hafenbetriebe in Europa (ESPO) bezeichnet die europäischen Häfen sogar als die effizientesten weltweit.

Laut Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über die Hafenarbeit von 1973 müssen Hafendienste – dazu gehören neben den Ladetätigkeiten auch Schlepp- und Lotsendienste, Transportarbeiten und Logistikleistungen – von eingetragenen Hafenarbeitern verrichtet werden. Mit Port Package II könnte sich das ändern. Denn die Richtlinie sieht u. a. vor, dass

– Schiffseigner eigenes Bordpersonal zum Be- und Entladen einsetzen können;

– Hafenverwaltungen die Dienstleistungen (mit einigen wenigen Einschränkungen, beispielsweise bei Lotsendiensten) EU-weit ausschreiben müssen;

– die Häfen und Hafendienstleister ihre finanziellen Verflechtungen ebenso weitgehend öffentlich machen müssen wie eventuelle Subventionen;

– die Laufzeit von Hafenlizenzen begrenzt wird. Des weiteren sollen nach Inkrafttreten der Richtlinie alle Konzessionen für Hafendienstleistungen neu ausgeschrieben und, dann nur noch befristet, neu vergeben werden.

Eine erste Fassung der Hafendienstleistungs-Richtlinie war im November 2003 vom EU-Parlament knapp abgelehnt worden. Mit 229 gegen 209 Stimmen hatten die Abgeordneten nach zweijährigem parlamentarischen Verfahren gegen die Kommissionsvorlage votiert. Es ist zweifelsohne eine Missachtung des Parlaments, dass die EU-Kommission ihre Richtlinie praktisch sofort und ohne wesentliche Änderungen wieder eingebracht hat.

Soziale und beschäftigungspolitische Konsequenzen

Wenn die Richtlinie verabschiedet wird, könnten nicht oder schlecht ausgebildete, billige Arbeitskräfte aus Drittstaaten, die zur Schiffsbesatzung gehören, Be- und Entladearbeiten in den Häfen durchführen. Damit werden die bestehenden Regeln für die registrierten, ausgebildeten Beschäftigten, die zu tariflich vereinbarten Löhnen ihre Arbeit qualifiziert verrichten, unterlaufen. Zudem wird, wie in anderen liberalisierten Bereichen, ein Prozess des Sozialdumpings in Gang gesetzt. Tausende Arbeitsplätze von ausgebildeten und registrierten Hafenarbeitern, hohe Qualitäts- und Leistungsstandards in den Häfen stehen auf dem Spiel. Es ist zwar ein Genehmigungsverfahren der Hafenbehörden vorgesehen, das auch die Festlegung von Qualifikationsstandards ermöglicht, aber die Erfahrungen in anderen liberalisierten Bereichen zeigen, dass es mit dem Aufbrechen des öffentlichen Monopols schwieriger wird, die Einhaltung der bisherigen Standards zu gewährleisten.

Nach einer Untersuchung des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik Bremen ist „die Gefahr von Kündigungen der aktuellen Arbeitnehmer (in den Häfen – A.B.) eindeutig gegeben“. (Folgenabschätzung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Marktzugang für Hafendienste, September 2005) „Selbstabfertigung mit eigenem Land- oder sogar Bordpersonal führt tendenziell zur Aufweichung fester Vollzeitbeschäftigung.“ Auch die Erwartung des Sozialdumpings wird von den Wissenschaftlern gestützt: „Letztlich muss damit gerechnet werden, dass auch Anbieter in den Markt kommen, die sich nicht an die bestehenden Tarife gebunden fühlen und auch aufgrund des Kostendrucks tendenziell geringere Löhne zahlen.“

Auch für die Seeleute ergeben sich unmittelbare Konsequenzen aus Port Package II. So könnte sich die Arbeitsbelastung und damit auch die Gefahr von Unfällen deutlich erhöhen. In Frage gestellt ist auch die Einhaltung der Arbeitszeiten für Bordpersonal, die ebenfalls mit einer EU-Richtlinie geregelt wurden.

Konsequenzen für Unternehmen und Kommunen

Port Package II wird nicht ohne Auswirkungen auf die im Hafenbereich tätigen und andere mit dem Güterumschlag befasste Unternehmen bleiben. Betroffen sind nicht zuletzt die Hafenstädte. Das betrifft insbesondere

– das Aufbrechen von Transport- und Logistikketten sowie die Zerstörung gewachsener Kooperationsbeziehungen;

– beschränkte Investitionen der Anbieter von Hafendienstleistungen durch die begrenzten Vertragslaufzeiten;

– die aus gleichem Grunde kompliziertere Beschaffung von Kapital und Krediten;

– ein größerer bürokratischer Aufwand für die Ausschreibungen;

– die Schwächung regionaler Zulieferer und anderer Partner der im Hafendienst tätigen Unternehmen und des Hafenstandortes sowie möglicherweise

– die Lösung der Probleme, die sich mit der Entlassung von Arbeitkräften ergeben.

Fazit

Aus dem Gesagten ergibt sich folgendes Fazit:
1. Die EU-Richtlinie über Hafendienstleistungen ist überflüssig, weil sie in ein funktionierendes, effizientes System eingreift und die deklarierten Ziele in der Realität bereits erreicht sind.

2. Die Richtlinie ist unsozial, weil sie Arbeitsplätze nicht nur in den Häfen, sondern auch bei Zulieferern und Kooperationsunternehmen gefährdet und dem Sozialdumping Tür und Tor öffnet.

3. Port Package II ist wirtschaftsfeindlich, weil den Unternehmen zusätzliche Lasten auferlegt werden, die Planungssicherheit sinkt und der Hafenstandort geschwächt wird.