Eitel Sonnenschein?

Neue Richtlinie zum Arbeitsschutz bleibt hinter den Erwartungen und Notwendigkeiten zurück.

Im Februar hat das Europäische Parlament ein Paradebeispiel falsch verstandener „Abbaus überflüssiger Bürokratie“ angenommen: die sogenannte „Sonnenscheinrichtlinie“. Nach langen, wirren Verhandlungen kommt dieses Regelwerk nun ohne Sonne daher.
Zunächst waren sich Experten, EU-Institutionen und Mitgliedstaaten einig: Nach Konkretisierung der EU-Arbeitsschutzverordnung bezüglich Lärm, elektromagnetischer Strahlung und Vibration solten noch die Regelungen zu optischer Strahlung präzisiert, die Regeln damit verständlicher und leichter anwendbar gemacht werden.
Daraus wurde ein neuer Regelwust. Für künstliche Strahlung gilt EU-Recht. Für natürliche Strahlung (Sonne, Feuer) kann sich jeder Mitgliedsstaat selbst etwas ausdenken – oder auch nicht. Zugleich wirkt wie immer die allgemeine EU-Regelung. Arbeitgeber sind zur Bewertung von und zum Schutz vor arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren verpflichtet. Das gilt auch für Sonneneinstrahlung: Ein Großteil aller Hautkrebsfälle und ein nicht zu vernachlässigender Teil der arbeitsbedingten Erkrankungen, die ja zudem beträchtliche Kosten für Unternehmen verursachen, sind gerade darauf zurückzuführen. Und was haben wir davon? Dank Boulevardpresse, Missdeutungen des Subsidiaritätsprinzips der Furcht vor Kleidervorschriften und Sonnencremepflicht bleiben wir stecken im Dickicht aus EU- und nationalen Bestimmungen.

Quelle:
Wirtschaft & Markt, 03/06