Brief von Francis Wurtz, Chef der Linksfraktion im Europaparlament, an junge Welt

Francis Wurtz

Nach Berichten über die Einladung der Chefin der iranischen »Volksmudschaheddin« (MEK), Mayram Rajavi, hat sich der Vorsitzende der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordisch Grüne Linke (GUE/NGL), Francis Wurtz, am Dienstag an die junge Welt-Chefredaktion gewandt:

Nach Berichten über die Einladung der Chefin der iranischen »Volksmudschaheddin« (MEK), Mayram Rajavi, hat sich der Vorsitzende der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordisch Grüne Linke (GUE/NGL), Francis Wurtz, am Dienstag an die junge Welt-Chefredaktion gewandt:

„Ich habe von dem Artikel unter der Überschrift »Mordsekte besucht Linke« erfahren, der in Ihrer gestrigen Ausgabe veröffentlicht wurde und die Parlamentsfraktion, deren Vorsitzender ich bin, in Frage stellt. Ich reagiere sehr selten auf Kommentare von Journalisten, auch wenn sie unangenehm sind, aus Achtung vor der Pressefreiheit, ohne die es weder eine demokratische Debatte noch Demokratie überhaupt gibt. Aber Sie haben sich im vorliegenden Fall auf einen – übrigens sehr einseitigen – Titel für die Behandlung einer Initiative meiner Fraktion geeinigt, der beleidigend ist. Erlauben Sie mir daher, einige Präzisierungen zur Ihrer und der Information Ihrer Leserinnen und Leser beizutragen.

1. Für unsere Fraktion bedeutet die Anhörung einer Persönlichkeit nicht a priori, daß wir mit ihren Thesen und Aktionen einverstanden sind. Und übrigens haben wir letzten Monat sehr herzlich einen führenden Repräsentanten der Toudeh Partei Irans empfangen, der sich gegen die Positionen unseres heutigen Gastes ausspricht. Aber unsere Haltung zu dem Thema hat sich in den vergangenen Wochen nicht verändert.

2. Die Entscheidung der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden, die Einladung von Frau Radjavi ins Europäische Parlament zu genehmigen, ist einstimmig gefallen, obwohl an diesem Tisch kein einziger Anhänger der Organisation saß, die diese Person vertritt – das betrifft mich genauso wie alle anderen. Es ist schlicht paradox, sich auf der einen Seite über den offiziellen Dialog mit den gegenwärtig iranischen Machthabern zu freuen – es ist sicher nicht nötig daran zu erinnern, was sie auf dem Gebiet der Menschenrechte und des Rechtes allgemein repräsentieren … – und gleichzeitig jeden Kontakt mit der Opposi­tionsbewegung gegen dieses Regime zu untersagen.

3. Was die Tatsache betrifft, daß einige Mitglieder meiner Fraktion die Organisierung dieser Anhörung mißbilligen, so ist das nichts Außergewöhnliches. Wir sind eine konföderale Fraktion. Jede nationale Delegation ist frei, ihre Standpunkte zu allen Fragen zum Ausdruck zu bringen, und dies in einer Art und Weise zu tun, die die Meinung der anderen Mitglieder der Fraktion respektiert. In Anbetracht dieser Grundposition möchte ich darlegen, daß es nach meiner Auffassung in meiner Fraktion Einstimmigkeit zu mindestens drei wichtigen Fragen bezüglich Irans gibt: unsere grundsätzliche Opposition gegen das aktuelle iranische Regime; unsere totale Ablehnung einer militärischen Lösung der aktuellen Krise; unsere Ablehnung der amerikanischen Konzeption des Kampfes gegen den Terrorismus, für die die »schwarze Liste« der zu verbietenden Organisationen ein Beispiel ist.“

Quelle:
junge Welt