Gastkolumne von Tobias Pflüger, „Atomkrieg gegen den Iran?“ in UZ, 8. Februar 2006

Mit seiner Forderung französische Atomwaffen auch im Hinblick auf den Iran als „Garantie unserer strategischen Versorgung“ einzusetzen, ist Frankreich Staatspräsident nicht überall auf Gegenliebe gestoßen. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel hat Frankreichs Staatspräsident Chirac jedoch wegen seiner umstrittenen Atomwaffen-Drohung verteidigt. Es gebe gar keinen Grund, Chirac zu kritisieren. Es gehe um Abschreckung, und angesichts der aktuellen Veränderungen auf der Welt müsse dabei die Doktrin angepasst werden, so Angela Merkel nach einem Treffen mit Jacques Chirac Ende Januar in Versailles. Chirac betonte in diesem Zusammenhang noch einmal, dass fortan ein „flexibler“ Einsatz französischer Atomwaffen möglich sein solle. Die Möglichkeit eines Zugriffs anderer Staaten sprach er offen an. Damit erhalten auch die Nuklearwaffeneinsatzpläne im Rahmen der Militärpolitik der EU eine völlig neue Brisanz. Dies Pläne finden sich im vom EU-bezahlten Pariser Institut für strategische Studien (ISS) formulierten Vorentwurf für das EU-Militär-Weißbuch (European Defense Paper).

Hintergrund ist, dass sowohl die EU-3 wie auch EU-Außenkommissarin Ferrero-Waldner im Atomstreit mit dem Iran auf Eskalationskurs gehen. So wird zwar weiter erklärt, man bemühe sich um eine diplomatische Lösung, gleichzeitig will man jedoch, wie die USA, eine Einschaltung des UN-Sicherheitsrates. Damit würde der Countdown für einen militärischen Angriff auf den Iran beginnen, bei dem, im Unterschied zum Irak-Krieg, Deutschland und Frankreich von vornherein direkt beteiligt wären. So verschärften auf dem Treffen in Davos Großbritannien und Deutschland noch einmal ihre Drohungen gegenüber dem Iran.

Die EU spielt insgesamt bei den Kriegsvorbereitungen gegen den Iran eine besonders üble Rolle. Keiner hat das in letzter Zeit besser ausgedrückt als der EU-Ministerratsdirektor Jim Cloos, der davon sprach, dass die transatlantischen Beziehungen von der Tatsache geprägt seien, „dass die USA die EU brauchen, um die Legitimität ihrer Operationen zu stärken.“ (27. 1. 2006, euractiv) Genau das ist die Funktion der EU in Vorbereitung eines Militärschlags gegen den Iran.

Diese Entwicklung darf nicht tatenlos hingenommen werden. Die Drohung mit einem Atomwaffeneinsatz ist eine Gefährdung des Weltfriedens durch Chirac. Merkel sekundiert diesem Völkerrechtsbruch auch noch. Diesmal werden Antikriegs- und Friedensbewegung gegen eine direkte Beteiligung an der Vorbereitung und vielleicht auch Durchführung eines Krieges gegen den Iran agieren müssen. Für einen Angriff auf den Iran – keine Invasion wie beim Irak – dürfen keine Militärstützpunkte zur Verfügung gestellt werden. Die deutsche Doppelstrategie beim Irak-Krieg – auf der einen Seite zwar keine eigenen Soldaten zu schicken, aber ansonsten alles zu tun, damit die Kriegsmaschinerie wie geschmiert läuft – wird diesmal nicht gehen. Es geht nur: Für oder gegen Angriffe auf den Iran. Wir als Antikriegs- und Friedensbewegung müssen deutlich machen es besteht reale Kriegsgefahr, speziell auch durch das Agieren der deutschen Regierung. Lasst uns dagegen aufstehen!

Tobias Pflüger ist Europaabgeordneter der Linksfraktion