Der schnelle Erfolg neoliberaler Modelle

Am 1. Mai jährt sich die Osterweiterung der Europäischen Union zum zweiten Mal. „Was hat es gebracht“, fragte „Offene Worte“ den PDS-Europaabgeordneten Dr. Helmuth Markov

Am 1. Mai jährt sich die Osterweiterung der Europäischen Union zum 2. Mal. Was hat man sich in der EU mit der Osterweiterung an positiven Wirkungen versprochen? Welche negativen Wirkungen waren absehbar?

Es wäre ganz und gar unzulässig, die EU-Erweiterung um die Mittel- und Osteuropäischen Staaten als entweder „positiv“ oder „negativ“ zu bewerten. Die Entscheidung dazu fi el in einer ganz spezifischen historischen Situation, in der es auch darum ging, Europa wieder ein Stück weit zusammenrücken zu lassen und die gegenseitige Verantwortung der europäischen Staaten anzuerkennen.

Wie hat sich Osterweiterung tatsächlich für die EU ausgewirkt?

Natürlich stellte und stellt der Prozess der Erweiterung die EU und ihre Nachbarstaaten vor eine Reihe Probleme, die bis heute nicht gelöst sind. Bestimmte Befürchtungen, die von Erweiterungsgegnern populistisch in Feld geführt worden waren, haben sich als unbegründet erwiesen. Beispielsweise hat es, ebenso wenig wie bei Erweiterung um Portugal und Griechenland, keine „Überschwemmung“ der Arbeitsmärkte mit „Billigarbeitskräften aus dem Osten“ gegeben. Dafür aber vielfach die Übernahme vieler ehemals staatlicher Unternehmen durch westeuropäische Großkonzerne (zum Beispiel gibt es in der Tschechischen Republik kaum noch eine wichtige Zeitung, die nicht zu einem deutschen Konzern gehört). Die neuen Mitgliedstaaten erhalten weit weniger Mittel aus den EU-Strukturfonds, die Agrarbeihilfen betragen nur einen Bruchteil dessen, was die alten EU-Länder beziehen. Die Übergangfristen für Industrieanpassungen waren sehr kurz. Der kleine Grenzhandel, zum Beispiel zwischen der Ukraine und Polen sowie zwischen der Slowakei und Ungarn, wurde dramatisch eingeschränkt, was zu Nachteilen für die dortige Bevölkerung geführt hat. Menschen aus acht neuen Mitgliedsstaaten haben noch immer nicht dieselben Rechte wie alle anderen EU-Bürger, zum Beispiel was die Arbeitnehmerfreizügigkeit angeht – und das, obwohl sie zu den vier Grundprinzipien der EU gehört. Diese Aufzählung ließe sich sicherlich noch fortführen.

Wie hat sich in den neuen Mitgliedsstaaten der soziale und wirtschaftliche Bereich entwickelt?

Insgesamt scheint es, als ob die Regierungen der Mittel- und Osteuropäischen Staaten dem reinen Marktdenken mehr Glauben schenken, als das in den alten Mitgliedstaaten der Fall ist. Das mag daran liegen, dass sich die herrschenden Eliten dort sagen: Das sozialistische Plansystem hat nicht funktioniert, die Probleme waren riesengroß, also versuchen wir es mit neoliberalen Modellen. Aber natürlich waren schnelle „Erfolge“ bei der Erfüllung des Stabilitätspaktes und der Übernahme der Marktregeln der EU Vorraussetzungen für den Beitritt. Dies alles kann und muss man durchaus als problematisch ansehen.

Haben Sie Vorstellungen, was künftig anders gemacht werden soll?

Vieles, was wir an der Politik der EU und der Regierungen ihrer Mitgliedstaaten kritisieren, trifft auf neue wie alte Mitglieder gleichermaßen zu: die mehrheitliche Orientierung auf die Liberalisierung im EU-Binnenmarkt zugunsten von transnationalen Großunternehmen und zuungunsten von Arbeitnehmerrechten, des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und nachhaltiger regionaler Entwicklung, auch und besonders in Grenzregionen.

Wie sieht die Vorbereitung der nächsten Beitrittsländer aus?

Bulgarien und Rumänien haben sicherlich noch Schwächen was die Implementierung von Justizgesetzgebung und Transparenzregeln hinsichtlich der Verwendung staatlicher Mittel angeht. Korruption ist dort offensichtlich ein echtes Problem. Diese Mängel lassen sich aber beheben, insofern steht dem Beitritt beider Staaten im Jahr 2007 kaum noch etwas im Wege.

Hat die Osterweiterung zu einer intensiveren Zusammenarbeit linker Parteien in Europa geführt?

Die PDS hatte und hat traditionell eine ganze Reihe Arbeitskontakte mit linken Parteien in Mittel- und Osteuropa und ich selbst habe seit meiner Studienzeit viele Freunde und Bekannte dort, zum Beispiel in der Ukraine, wo ich jahrelang gelebt habe.

Wirken diese Kontakte bis ins Europa-Parlament?

Nach der EU-Erweiterung wurden 2004 auch erstmals sechs Abgeordnete der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSČM) sowie zwei Abgeordnete der Zypriotischen AKEL ins Europäische Parlament gewählt, die auch voll in die Arbeit der Linksfraktion eingebunden sind. Oft bringen sie aus jeweils sehr unterschiedlichen Perspektiven einen anderen Blick in unsere Debatten ein, auch wenn grundlegende Probleme durchaus mit denen anderer EU-Mitgliedstaaten vergleichbar sind. In anderen neuen Mitglied- bzw. Beitrittstaaten sind die Linksparteien recht klein und haben den Sprung ins Europa-Parlament bisher noch nicht geschafft. Mit der Gründung der Europäischen Linkspartei haben sich dennoch vielerlei neue Kontakte auch zu diesen Parteien ergeben (z.B. in Bulgarien, Estland, Rumänien, Slowakei, Ungarn).