„Deutsche Soldaten in aller Welt“, Kolumne in: Schwäbisches Tagblatt, 01.09.2006
Heute vor 67 Jahren, am 1. September 1939, überfiel die deutsche Wehrmacht Polen. Die deutsche Armee ermordete durch Vernichtungskrieg Millionen von Menschen in den besetzten Ländern, insbesondere in der damaligen Sowjetunion.
Die Initiative für einen Antikriegstag ging vom Deutschen Gewerkschaftsbund aus. Am 1. September 1957 wurden zum ersten Mal Veranstaltungen und Demonstrationen unter dem Motto „Nie wieder Krieg“ begangen. Mit massiver Repression und Kriminalisierung des Protests wurde 1955 die Gründung der Bundeswehr und damit die Wiederbewaffnung durchgesetzt. Seit den 90er Jahren wurde dann die Bevölkerung an immer neue Militäreinsätze gewöhnt. Das gipfelte 1999 in der Entscheidung der rot-grünen Bundesregierung, sich am NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien zu beteiligen. Das bedeutete einen offenen Bruch des Völkerrechts, und es wurden erstmals nach dem 2. Weltkrieg durch Angriffsaktionen einer deutschen Armee Menschen umgebracht. Heute stehen über 7500 Bundeswehrsoldaten in elf Militäreinsätzen (davon 7 große) in aller Welt: Von der „Terroristenjagd“ an der Seite der USA in Afghanistan bis zum EU-Militäreinsatz im Kongo.
Nun kommt noch der Militäreinsatz im Nahen Osten dazu. Militärminister Franz-Josef Jung (CDU) spricht von einem deutschen ‚Kampfeinsatz‘, und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck will gar eine deutsche Führungsrolle. Viele ‚Spitzenkräfte‘ verstehen offenbar, wenn sie das Wort Verantwortung hören, immer nur Militäreinsatz.
Als es wirklich darauf angekommen wäre, hat die Bundesregierung (bewusst) versagt: Sie weigerte sich auch innerhalb der EU, sich für einen sofortigen Waffenstillstand zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah einzusetzen, der möglicherweise hunderten Menschen das Leben gerettet hätte. Eine solche Forderung der EU hätte durchaus Gewicht gehabt. Stattdessen wurde auch von der deutschen Regierung der israelischen Regierung weitere Zeit gegeben, die diese zu weiteren Angriffen insbesondere auch gegen die Zivilbevölkerung nutzte. Alle begangenen Kriegsverbrechen – wie zum Beispiel die Angriffe auf Zivilbevölkerung durch Israel und die Hisbollah, die umfangreiche Zerstörung von Infrastruktur und der Einsatz US-amerikanischer Streubomben durch die israelische Armee – müssen geahndet werden.
Welche Blüten der neue deutsche Militärinterventionismus treibt, ist im Kongo zu beobachten. Begründet wurde der Einsatz dort vom Militärminister unter anderem mit Interessen der deutschen Wirtschaft. Kurz vor den Wahlen ruft EU-Entwicklungskommissar Louis Michel die Kongolesen offen dazu auf, den Autokraten Joseph Kabila zu wählen. Die EU rüstet gleichzeitig die Präsidialgarde Kabilas mit frischen Waffen aus. Nach dem ersten Wahlgang sind EU-Botschafter zu Besuch im Haus von Herrn Bemba, dem War-Lord-Rivalen Kabilas. Dort werden sie von Kabilas Präsidentengarde heftig beschossen und müssen stundenlang ausharren, bis die EU-Truppe sie abholt. Besser lässt sich neben dem Mörderischen das Schilda-Element der deutschen und europäischen Militärspolitik nicht auf den Punkt bringen. Der EU-Kongo-Einsatz kostet etwa 750 Millionen Euro. Im Kongo mangelte es aber nicht an Soldaten sondern an Hilfe bei der Auswertung der Stimmen.
Statt ständig nach neuen Militärinterventionen zu schielen, muss es um eine aktive Politik der Kriegsverhinderung gehen. Der Rückzug der deutschen Truppen aus aller Welt wäre ein erster Schritt. Die große Koalition aber steuert in eine ganz andere Richtung. Die aktuelle Unterstützung der Eskalationspolitik der USA durch die Bundesregierung gegenüber dem Iran ist ein sehr eigentümlicher Beitrag zum Antikriegstag.
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