EU demokratisch gestalten

Leserbrief im Neuen Deutschland

Zu „Analysen, falsche Freunde“ (ND vom 13./14.5.2006)

In seinem Bericht über das 4. Europäische Sozialforum in Athen zieht Erhard Crome die „Schlussfolgerung“: „Europa wird entweder von links neu begründet oder gar nicht“.
Diese Botschaft ist nun wahrlich jenseits von gut und böse. Sie ist so realitätsfern wie irreführend und taugt nicht einmal als gut gemeinte Vision, weil sich die europäische Linke damit jede ernst zu nehmende Möglichkeit beraubt, glaubwürdig und mit Erfolg für ein fortschrittliches Europa zu streiten. Ein geeintes Europa mit annähernd 500 Millionen Menschen wird nie zustande kommen, wenn jede politische Richtung ihre eigenen Vorstellungen zum alleinigen Maß aller Dinge erhebt. Es kann nur mit dem Willen aller – aller Staaten und Völker mit ihrer großen Vielfalt – aufgebaut werden. Dies setzt allerdings die Bereitschaft voraus, Konzepte anderer nicht einfach deshalb kompromisslos abzulehnen, weil sie mit eigenen Überzeugungen nicht nahtlos konform gehen. Gerade als Linke sollten wir uns nicht anmaßen, die Schaffung eines geeinten Europas richte sich allein nach unseren Maßstäben. Diesen auch in der Linkspartei.PDS um sich greifenden Avantgardismus sollten wir rasch begraben und uns stattdessen darauf orientieren, durch überzeugendes und sachkundiges Agieren in der Zivilgesellschaft und in den Parlamenten politische Kräfteverhältnisse im eigenen Land und in Europa zu verändern. Es kann nicht darum gehen, die Europäische Union abzuschaffen, um sie dann nach unseren Vorstellungen neu zu gründen. Vielmehr muss die EU friedlich, demokratisch und sozial gestaltet werden.

Sylvia-Yvonne Kaufmann
Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS

Erschienen im Neuen Deutschland am 19. Mai 2006 in leicht gekürzter Fassung

Leserbrief im Neuen Deutschland

Zu „Analysen, falsche Freunde“ (ND vom 13./14.5.2006)

In seinem Bericht über das 4. Europäische Sozialforum in Athen zieht Erhard Crome die „Schlussfolgerung“: „Europa wird entweder von links neu begründet oder gar nicht“.
Diese Botschaft ist nun wahrlich jenseits von gut und böse. Sie ist so realitätsfern wie irreführend und taugt nicht einmal als gut gemeinte Vision, weil sich die europäische Linke damit jede ernst zu nehmende Möglichkeit beraubt, glaubwürdig und mit Erfolg für ein fortschrittliches Europa zu streiten. Ein geeintes Europa mit annähernd 500 Millionen Menschen wird nie zustande kommen, wenn jede politische Richtung ihre eigenen Vorstellungen zum alleinigen Maß aller Dinge erhebt. Es kann nur mit dem Willen aller – aller Staaten und Völker mit ihrer großen Vielfalt – aufgebaut werden. Dies setzt allerdings die Bereitschaft voraus, Konzepte anderer nicht einfach deshalb kompromisslos abzulehnen, weil sie mit eigenen Überzeugungen nicht nahtlos konform gehen. Gerade als Linke sollten wir uns nicht anmaßen, die Schaffung eines geeinten Europas richte sich allein nach unseren Maßstäben. Diesen auch in der Linkspartei.PDS um sich greifenden Avantgardismus sollten wir rasch begraben und uns stattdessen darauf orientieren, durch überzeugendes und sachkundiges Agieren in der Zivilgesellschaft und in den Parlamenten politische Kräfteverhältnisse im eigenen Land und in Europa zu verändern. Es kann nicht darum gehen, die Europäische Union abzuschaffen, um sie dann nach unseren Vorstellungen neu zu gründen. Vielmehr muss die EU friedlich, demokratisch und sozial gestaltet werden.

Sylvia-Yvonne Kaufmann
Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS

Erschienen im Neuen Deutschland am 19. Mai 2006 in leicht gekürzter Fassung