Antikommunismus an der Moldau

Dominic Heilig und Nora Schüttpelz, Brüssel

Bereits im Dezember 2005 blies das tschechische Innenministerium zum Angriff auf den Bund Junger Kommunisten, die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSCM). Nun wurde der KSM verboten.

Offiziell wurde damals bemängelt, dass sich der Jugendverband als Verein bürgerlichen Rechts durch seine politische Positionierung in Bereiche einmische, die ausschließlich den politischen Parteien vorbehalten seien. Zudem sei die theoretische und politische Zielsetzung einer »sozialistischen Revolution« illegal, führten die Beamten weiter aus. Die Drohung, den KSM zu verbieten, sollte dieser nicht binnen einer gesetzten Frist Statut und Programm ändern, löste eine Welle von internationalen Protesten, Demonstrationen und Solidaritätserklärungen aus. Daran beteiligten sich verschiedene Studentenorganisationen, Antifaschisten, Parlamentarier, Gewerkschafter, Intellektuelle, Künstler, europäische linke Parteien und deren Jugendorganisationen.

Weder Verhandlungsangebote noch empörte Zuschriften anderer europäischer Jugendverbände mit Verweis auf ähnlich lautende Statuten brachten die Prager Regierung von der nun vollzogenen Auflösung des KSM ab. Unbeeindruckt zeigte sich die Exekutive auch von dem Hinweis, dass die Tschechische Republik als Europaratsmitglied und damit Signatarstaat der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten die Meinungsäußerungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Verbot der Diskriminierung aufgrund politischer oder sonstiger Anschauungen zu respektieren habe.

Offenbar beurteilte das Innenministerium seine ursprünglichen Vorwürfe gegen den Verband selbst als so fadenscheinig, dass es sich in seinem Brief an den KSM vom 16. Oktober 2006 offiziell nur noch auf dessen programmatische Aussage bezog, wonach »Privateigentum an Produktionsmitteln in einem anzustrebenden Sozialismusmodell durch öffentliches Eigentum ersetzt werden« soll. Mit diesem Argument die Illegalisierung des KSM zu begründen, zeugt freilich nicht von ausgeprägtem Demokratieverständnis, sondern vielmehr von purem Antikommunismus.

Antikommunismus in Europa ist so ungewöhnlich nicht. Der Europarat beispielsweise hat im Januar 2006 eine Resolution über die »Notwendigkeit der internationalen Verurteilung der Verbrechen totalitärer kommunistischer Regime« angenommen. »Das Problem mit dieser Resolution ist, dass sie die Gewalttaten der Vergangenheit dazu benutzt, eine Ideologie und politische Strömung, deren Ideale das ganze Gegenteil dieser Verbrechen sind, zu attackieren, zu marginalisieren und den Weg zu ihrer Kriminalisierung zu ebenen«, kritisierte der Vorsitzende der Linksfraktion im Europarat, Mats Einarsson. Die Wahrheit sei, dass die Angriffsziele des Antikommunismus nie Diktaturen oder Verstöße gegen die Menschenrechte waren, sondern immer die Linke, die Arbeiterbewegung, jeder, der Kapitalismus und Imperialismus in Frage stellt.

Der jüngste Fall scheint diese Auffassung zu untermauern. Mit dem Beschluss zur Illegalisierung des kommunistischen Jugendverbandes, der bereits erklärt hat, Rechtsmittel einzulegen, wird auch dessen Mutterpartei KSCM bewusst getroffen. Am kommenden Wochenende stehen in Tschechien Kommunal- und Senatswahlen an. Der Verdacht, dass mit dem Beschluss der Wahlkampf gegen die Kommunisten beeinflusst werden soll, liegt nahe.

Von dieser politisch motivierten Entscheidung sind aber über die KSCM hinaus weitere europäische Linksparteien betroffen. Denn die tschechischen Kommunisten sind mit sechs Abgeordneten Teil der GUE/NGL-Fraktion im Europäischen Parlament und offizielle Beobachter der Europäischen Linkspartei. Beide europäischen Linksvereinigungen haben Protest und weitere Aktionen gegen diesen plumpen antikommunistischen Populismus angekündigt.

Quelle:
Neues Deutschland