Brie: „Irrläufer“ soll offenbar die „Feindbildsuche“ fortsetzen
Straßburg (ppa). Gegen die Berliner Tageszeitung Junge Welt gehen derzeit mehrere Europaabgeordnete der Fraktion der Vereinten Linken (GUE/NGL) in die Offensive. Auslöser soll ein am Montag erschienener Beitrag sein, in dem unter der Überschrift „Mordsekte besucht Linke“ den beiden Abgeordneten Andrè Brie und Helmuth Markov vorgeworfen wird, „feste Kontakte zu den iranischen Volksmudschaheddin“ (MEK) anzuknüpfen. Abgeordnete einiger kommunistischer Parteien hätten sich angeblich gegen einen Besuch von Maryam Rajavi vom „Nationalen Widerstandsrat Irans“ (NWRI) ausgesprochen, doch Brie und Markov sollen den Termin „durchgeboxt“ haben.
Brie und Markov sollen gegenüber der Tageszeitung Neues Deutschland (Mittwochausgabe) erklärt haben, sich gemeinsam mit anderen Abgeordneten in der Fraktionssitzung am vergangenen Donnerstag für einen „kritischen Dialog“ mit Maryam Rajavi eingesetzt zu haben. Für sie sei nicht erkennbar, dass die NWRI-Vertreterin ein Mitglied der iranischen Widerstandsgruppe MEK sei, äußerte Markov. Außerdem halte er es für „grob fahrlässig, diese wesentliche Oppositionskraft im Iran mit Nichtachtung zu strafen und ihren bedeutungsvollen Wandlungsprozess zu ignorieren“. Brie betitelte den Beitrag der jW als „Irrläufer“, der offenbar die „langweiligen und rückwärtsgewandten Versuche“ des Blattes zur „engstirnigen Feindbildsuche innerhalb der Linken“ fortsetzen solle.
Der Vorsitzende der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) im Europäischen Parlament, Francis Wurtz, kritisierte in einem Brief an den Chefredakteur der jW den „sehr einseitigen“ Titel „für die Behandlung einer Initiative meiner Fraktion“, den er als „beleidigend“ bezeichnete. „Die Entscheidung der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden, die Einladung von Frau Radjavi ins Europäische Parlament zu genehmigen, sei einstimmig gefallen, obwohl an diesem Tisch kein einziger Anhänger der Organisation saß, die diese Person vertritt – das betrifft mich genauso wie alle anderen“, schrieb Wurtz am Dienstag.
Dass einige GUE/NGL-Mitglieder die Organisierung dieser Anhörung missbilligen, bezeichnete Wurtz als „nichts Außergewöhnliches“, schließlich sei man eine konföderale Fraktion. Eine Übereinstimmung gebe es jedoch hinsichtlich der grundsätzlichen Opposition gegen das aktuelle iranische Regime, der totalen Ablehnung einer militärischen Lösung der aktuellen Krise sowie der amerikanischen Konzeption im „Kampf gegen den Terrorismus“, für die jene „schwarze Liste“ der zu verbietenden Organisationen ein Beispiel darstelle.
Die Einseitigkeit des jW-Berichts kritisierte auch der niederländische Sozialist Erik Meijer. Im dem Beitrag bleibe unklar, warum die Exilopposition eine Mordsekte sei und das Mullah-Regime nicht. „Leider lese ich kein Wort darüber, wie schrecklich das heutige konservativ-militaristische iranische Regime die Arbeiterklasse, Frauen, ethnische Minderheitsgruppen und Homosexuelle behandelt: mit Unterdrückung und Todesstrafe“, sagte Meijer dem ND. Auch seiner Meinung nach sei der iranische Widerstand zu oft zu unkritisch gewesen in der Wahl seiner Verbündeten und der Kampfmethoden. „Ich kenne aber keine progressive Widerstandsbewegung, die niemals Fehler gemacht hat.“ Doch seien für ihn Fehler niemals ein Grund gewesen, Kontakte abzulehnen.
Andrè Brie erinnerte gegenüber der Nachrichtenagentur ppa an einen ähnlich gelagerten Artikel der jW vom 10. Juni 2006, in dem sehr einseitig die Position Palästinas vertreten werde, obwohl zuvor der iranische Machthaber Ahmadinedschad den europäischen Massenmord an den Juden in Frage gestellt hatte. Der Autor habe sich über die Haltung der Linken bezüglich dem Existenzrecht Israels ereifert, „was wir als Grundvoraussetzung für jede verantwortliche internationale Politik und für die Schaffung eines überlebensfähigen Palästinenserstaates“ definieren. „Daran auch nur den leisesten Zweifel zu lassen, ist keine Solidarität mit Palästina, sondern Wasser auf die Mühlen des Antisemitismus“, sagte Brie der ppa.
Im August 1993 hatte der so genannte „Nationale Widerstandsrat Irans“ (NWRI) Maryam Rajavi zur zukünftigen Präsidentin Irans für die Übergangszeit nach dem Sturz der Regimes im Iran gewählt. Sie wird nach Informationen der Nachrichtenagentur ppa angeblich am Donnerstagabend in der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne (GUE/NGL) im Europaparlament auftreten. Außerdem wird sie die konservativ-christdemokratische Fraktion (EPP-ED) im Parlament besuchen.
Einer entsprechenden Entscheidung der US-Administration folgend, hatte auch die EU die iranische Widerstandsgruppe Mudschahedin-E-Khalq (MEK) auf die EU-Liste terroristischer Organisationen gesetzt, die NWRI war ausdrücklich von der Terrorismus-Einstufung ausgeschlossen. Allerdings werden die Aktivitäten beider Organisationen in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet und ausgewertet.
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LinksZeitung