„Ein geheimer Krieg: Das Kommando Spezialkräfte (KSK)in Afghanistan“, erschienen in der entwicklungspolitischen Zeitschrift „Iz3W“, Januar/Februar 2006

Die rotgrüne Bundesregierung verabschiedete sich, wie sie angefangen hat: mit Kriegspolitik. Auf ihr Betreiben beschloss der Bundestag am 8.11. 2005 mit 519 gegen 67 Stimmen die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der Enduring Freedom-Mission. Der Deutsche Bundestag hatte am 16. November 2001 beschlossen, dass deutsche Streitkräfte mit US-Truppen und Truppen anderer Staaten der so genannten „Anti-Terror“-Koalition zusammenarbeiten bei der militärischen Bekämpfung des „internationalen Terrorismus“ unter Berufung auf die Sicherheitsratsresolution 1368 und Artikel 5 des NATO-Vertrages. In deren Rahmen finden der Bundeswehrkampfeinsatz in Afghanistan und der Einsatz der Marine am Horn von Afrika statt. Die Führung von Enduring Freedom liegt beim US-amerikanischen Regionalkommando USCENTCOM, dessen Hauptquartier in Tampa/ Florida untergebracht ist. Befehlshaber ist der amerikanische General Tommy R. Franks. Die Bundeswehr ist im Hauptquartier von USCENTCOM mit einem Verbindungskommando vertreten, das von einem Brigadegeneral geführt wird.

Bereits seit vier Jahren wird unter völkerrechtswidrigem Hinweis auf das „Selbstverteidigungsrecht“ Deutschlands in Afghanistan Krieg geführt. Dieser Krieg hat Tausenden von Zivilisten das Leben gekostet. Bei der nun erfolgten Entscheidung des Bundestages handelt sich um einen eklatanten Vorratsbeschluss: Derzeit sind im Rahmen von Enduring Freedom nach Bundeswehrangaben 260 Soldaten eingesetzt, künftig sind bis zu 2.800 Einsatzkräfte vorgesehen – eine enorme Diskrepanz. Bewusst verschwiegen wird dabei, dass seit November 2001 immer wieder auch das Kommando Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan im Kriegseinsatz ist.

Das KSK umfasst zurzeit insgesamt etwa tausend Soldaten, deren Identität nach offizieller Lesart angesichts der hochsensiblen Militäroperationen streng geheim gehalten wird. Die Spezialeinheit gehört zu den Einsatzkräften der Division Spezielle Operationen (DSO). Das KSK wurde 1996 gegründet und ist in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw stationiert. Nach Definition der Bundeswehr ist sie ein „Truppenteil des Heeres für die Durchführung militärischer Operationen im Rahmen der Krisenvorbeugung und -bewältigung sowie im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung“.

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) ist die einzige Truppe, die im Auslandseinsatz nicht vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam-Geltow „geführt“ wird. Das KSK wird direkt vom Ministerium aus geleitet. Dies und die de facto Nicht Kontrolle der KSK-Einsätze machen das KSK zu einer (rein national organisierten)Truppe der Exekutive.

Offiziell hat die Afghanistan-Operation der KSK im Rahmen von Enduring Freedom zum Ziel, „Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zustellen.“ Es gibt jedoch bisher keinen einzigen Fall, in dem durch die KSK-Truppen mutmaßliche Terroristen inhaftiert und einem Gerichtsverfahren zugeführt haben. Die Öffentlichkeit wird nicht darüber informiert, was die KSK-Soldaten in Afghanistan tun, wie viele Gefangene sie gemacht oder anderen Truppen überstellt haben, wie viele Menschen durch ihre Aktionen umgekommen sind und ob es Todesopfer unter den KSK-Soldaten gegeben hat. Das hat dazu geführt, dass viele Gerüchte über diesen geheimen Krieg im Umlauf sind.

Die Misere hat auch ein europäisches Gesicht. Neben dem Einsatz des Euro-Korps im Rahmen der NATO-geführten ISAF-Mission – Die International Security Assistance Force (ISAF) ist die Internationale Sicherheitsbeistandstruppe in Afghanistan mit einem Stützpunkt in Termes/Usbekistan. Die Mandatierung erfolgte durch den Weltsicherheitsrat am 20. Dezember 2001. Das Mandat für die Beteiligung deutscher Soldaten am ISAF-Einsatz wurde erstmals am 22. Dezember 2001 durch den Bundestag erteilt. Derzeit sind an ISAF etwa 2250 deutsche Soldaten (davon 90 Frauen) beteiligt. Bei einer Sondersitzung am 28. September 2005 beschlossen Bundestag und Kabinett mit großer Mehrheit die Ausweitung des Mandats, wodurch die Anzahl auf 3000 Soldatinnen und Soldaten erhöht sowie die Einsatzdauer um ein Jahr verlängert wurde (bis Oktober 2006). Seit Beginn des Einsatzes sind 18 deutsche Soldaten getötet worden, 11 davon durch Unfälle – in Afghanistan unterstützt die EU weiterhin den Aufbau afghanischer Polizei- und Militärstrukturen, die oft nichts anderes als fortgesetzte Warlord-Strukturen sind. Die EU schmückt den Enduring Freedom-Einsatz mit „zivilem“ Beiwerk. Dazu gehören u. a. der Aufbau von afghanischen Polizeitruppen, der Grenzpolizei und des Jusitzapparates Diese zivilmilitärische Vermischung ist typisch für die EU. In der Am 16. November von EU-Rat und der afghanischen Regierung gemeinsam verabschiedeten „EU-Afghanistan-Erklärung“ werden die EU-Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert „ihre substantielle Rolle bei der Zur-Verfügung-Stellung von militärischen und zivilen Ressourcen für die NATO-geführte Internationale Security Assistance Force beizubehalten“ sowie „zur Unterstützung der von den USA geführten Operation Enduring Freedom“ angehalten.
Der Bundeswehr-Stützpunkt Termez in Usbekistan ist die Achillesferse. In Usbekistan werden Menschen offen unterdrückt, die EU hat Sanktionen verhängt, aber die Bundeswehr betreibt für Truppen aus NATO- und EU-Staaten den für den Afghanistan-Einsatz absolut „notwendigen“ Umschlagplatz Termez. Aus friedenspolitischer Sicht gibt es zum Abzug des KSK aus Afghanistan, zur Auflösung der Bundeswehrtruppen in Afghanistan und zur Schließung von Termez keine Alternative.

Tobias Pflüger ist Mitglied des Europäischen Parlamentes und Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung (IMI) (www.imi-online.de ).