Keine Spur Sozialunion
Es ist noch nicht lange her, da tönte es in den Medien: Das »soziale Europa« und die Überwindung der europäischen Verfassungskrise stünden ganz oben auf der Agenda der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2007. Die Botschaft ließ hoffen, zumal das eine ohne das andere nicht zu haben ist und Europa beides braucht: eine soziale Ausrichtung und eine zukunftsfähige Verfassung.
Doch vom »sozialen Europa« ist im Masterplan der Bundesregierung nicht mehr als ein Sammelsurium dieser oder jener Ansätze übrig geblieben. Erst auf Seite 13 findet sich ein Passus zum »europäischen Sozialmodell«, und als konkrete Maßnahme soll es dazu gerade mal eine »Ministerkonferenz« geben. Vergebens sucht man im großkoalitionären Ratsprogramm das Projekt Sozialunion, das noch bis vor kurzem jedes SPD-Europapapier schmückte. Und das, obwohl Luxemburgs konservativer Ministerpräsident Jean-Claude Juncker soeben erst leidenschaftlich für eine Sozialunion warb, die die europäische Wirtschafts- und Währungsunion ergänzen müsste. Ebenso Fehlanzeige zu seinem Vorschlag, ein Grundeinkommen für alle Menschen einzuführen, die in einem EU-Mitgliedstaat wohnen. Damit dürfte sich Junckers Erwartung, die deutsche Ratspräsidentschaft werde das Thema Sozialpolitik »auf längere Sicht« beleben, ebenso wenig erfüllen wie seine Hoffnung, dass daraus keine »Eintagsfliege« werde.
Offensichtlich hat man sich in Berlin nicht wirklich damit befasst, dass es soziale und nationale Gründe waren, weshalb die Verfassungsreferenden in Frankreich und in den Niederlanden scheiterten. Heute gibt mehr als ein Viertel aller französischen Wähler an, mit den Forderungen der rechtsextremen Front National von Le Pen »vollkommen einverstanden« zu sein. Dazu gehören ein »Ausstieg« Frankreichs aus der EU sowie eine »Präferenzpolitik« für gebürtige Franzosen. Diese »französischen Verhältnisse« könnten in Deutschland rasch um sich greifen, denn auch hier gibt es Signale, die ernst genommen werden müssen. So sieht eine Bevölkerungsmehrheit die EU als wirtschaftliche und soziale Bedrohung an. Befürchtet werden der weitere Verlust von Sozialleistungen sowie mehr Arbeitsplatzverlagerungen in EU-Länder mit niedrigen Lohnkosten.
Diese Ängste sind begründet, denn in Europa sind offiziell 18,7 Millionen Menschen arbeitslos und ca. 72 Millionen leben mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze, während die Zahl der Millionäre auf 2,5 Millionen anwuchs. Verantwortlich dafür ist die neoliberale Wirtschaftspolitik, die auf grenzüberschreitendes Lohn-, Sozial- und Steuerdumping setzt. Dagegen Pflöcke einzuschlagen, müsste die vordringliche Aufgabe der deutschen EU-Präsidentschaft sein, denn der Sozialstaat lässt sich unter den Zwängen der Globalisierung nicht mehr national, sondern nur noch gemeinsam, also europäisch gestalten. Für den Kampf gegen Arbeitslosigkeit, für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit, für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse, für den Schutz bei Krankheit oder bei Verlust des Arbeitsplatzes müssen die EU-Mitgliedstaaten, die EU-Kommission und das Europäische Parlament die Weichen in die richtige Richtung stellen, und zwar gemeinsam. Die Bürger akzeptieren nur eine EU, die Wohlstand, Beschäftigung und eine lebenswerte Umwelt sichert. Dies zu erreichen, muss Priorität europäischer Politik sein – und dafür ist ein neuer Gesellschaftsvertrag unabdingbar.
Es ist noch nicht lange her, da tönte es in den Medien: Das »soziale Europa« und die Überwindung der europäischen Verfassungskrise stünden ganz oben auf der Agenda der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2007. Die Botschaft ließ hoffen, zumal das eine ohne das andere nicht zu haben ist und Europa beides braucht: eine soziale Ausrichtung und eine zukunftsfähige Verfassung.
Doch vom »sozialen Europa« ist im Masterplan der Bundesregierung nicht mehr als ein Sammelsurium dieser oder jener Ansätze übrig geblieben. Erst auf Seite 13 findet sich ein Passus zum »europäischen Sozialmodell«, und als konkrete Maßnahme soll es dazu gerade mal eine »Ministerkonferenz« geben. Vergebens sucht man im großkoalitionären Ratsprogramm das Projekt Sozialunion, das noch bis vor kurzem jedes SPD-Europapapier schmückte. Und das, obwohl Luxemburgs konservativer Ministerpräsident Jean-Claude Juncker soeben erst leidenschaftlich für eine Sozialunion warb, die die europäische Wirtschafts- und Währungsunion ergänzen müsste. Ebenso Fehlanzeige zu seinem Vorschlag, ein Grundeinkommen für alle Menschen einzuführen, die in einem EU-Mitgliedstaat wohnen. Damit dürfte sich Junckers Erwartung, die deutsche Ratspräsidentschaft werde das Thema Sozialpolitik »auf längere Sicht« beleben, ebenso wenig erfüllen wie seine Hoffnung, dass daraus keine »Eintagsfliege« werde.
Offensichtlich hat man sich in Berlin nicht wirklich damit befasst, dass es soziale und nationale Gründe waren, weshalb die Verfassungsreferenden in Frankreich und in den Niederlanden scheiterten. Heute gibt mehr als ein Viertel aller französischen Wähler an, mit den Forderungen der rechtsextremen Front National von Le Pen »vollkommen einverstanden« zu sein. Dazu gehören ein »Ausstieg« Frankreichs aus der EU sowie eine »Präferenzpolitik« für gebürtige Franzosen. Diese »französischen Verhältnisse« könnten in Deutschland rasch um sich greifen, denn auch hier gibt es Signale, die ernst genommen werden müssen. So sieht eine Bevölkerungsmehrheit die EU als wirtschaftliche und soziale Bedrohung an. Befürchtet werden der weitere Verlust von Sozialleistungen sowie mehr Arbeitsplatzverlagerungen in EU-Länder mit niedrigen Lohnkosten.
Diese Ängste sind begründet, denn in Europa sind offiziell 18,7 Millionen Menschen arbeitslos und ca. 72 Millionen leben mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze, während die Zahl der Millionäre auf 2,5 Millionen anwuchs. Verantwortlich dafür ist die neoliberale Wirtschaftspolitik, die auf grenzüberschreitendes Lohn-, Sozial- und Steuerdumping setzt. Dagegen Pflöcke einzuschlagen, müsste die vordringliche Aufgabe der deutschen EU-Präsidentschaft sein, denn der Sozialstaat lässt sich unter den Zwängen der Globalisierung nicht mehr national, sondern nur noch gemeinsam, also europäisch gestalten. Für den Kampf gegen Arbeitslosigkeit, für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit, für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse, für den Schutz bei Krankheit oder bei Verlust des Arbeitsplatzes müssen die EU-Mitgliedstaaten, die EU-Kommission und das Europäische Parlament die Weichen in die richtige Richtung stellen, und zwar gemeinsam. Die Bürger akzeptieren nur eine EU, die Wohlstand, Beschäftigung und eine lebenswerte Umwelt sichert. Dies zu erreichen, muss Priorität europäischer Politik sein – und dafür ist ein neuer Gesellschaftsvertrag unabdingbar.
Die Autorin ist Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments.
Veröffentlicht in Neues Deutschland vom 22.12.2006