Markov: Entwickelte Länder sind an der Reihe, ihren Protektionismus zurückzufahren

Nachrichtenagentur ppa

Straßburg (ddp). Der Europaabgeordnete Helmuth Markov hat die gescheiterte WTO-Runde in Genf als Möglichkeit bezeichnet, die hoffentlich einen „Anreiz zum Umdenken“ bietet. „Statt stur auf eigenen Interessen zu beharren – Marktöffnung für Industrieprodukte und gleichzeitig Abschottung der eigenen Agrarmärkte – sollten sich die entwickelten Länder daran erinnern, dass Doha eine Entwicklungsrunde sein sollte“, sagte Markov am Dienstag in Straßburg. Das gelte insbesondere für die USA und die EU-Mitgliedstaaten.

„Nach den viertägigen Gesprächen in Genf (29. Juni bis 03. Juli) musste WTO-Chef Pascal Lamy zugeben, dass es keinerlei Fortschritte gibt, die Doha-Verhandlungsrunde vielmehr in einer tiefen Krise steckt“, meinte Markov, der für die GUE/NGL im Europaparlament sitzt. Da es „in Hunderten Detailfragen keine Chance auf Verständigung“ gegeben habe, wurden die Gespräche ohne Ergebnis abgebrochen und auf Ende Juli vertagt. „Ob es dann zu einer Einigung kommt, ist jedoch mehr als fraglich: Die Vereinigten Staaten denken nicht daran, ihre Agrarexportsubventionen schnell abzubauen. Die EU ist nicht bereit, ihre internen Beihilfen für landwirtschaftliche Produkte weiter abzusenken. Aus Sicht der Entwicklungsländer, die auch unter einander differente Interessen vertreten, ist es unter diesen Umständen nicht einsichtig, warum sie ihre Märkte für Fertigprodukte aus den Industriestaaten weiter öffnen sollten“, sagte Helmuth Markov.

Die WTO-Verhandlungen waren Samstagnacht in Genf erneut am Widerstand der USA gescheitert. Seit 2001 läuft die so genannte Doha-Handelsrunde, die im Scheichtum Katar eröffnet worden war. Sie soll den vom Welthandel benachteiligten armen Staaten dadurch mehr Wettbewerbsfähigkeit verschaffen, dass diese ihre Produkte auch zu konkurrenzfähigen Preisen in den USA und Europa anbieten können. Die Industrieländer subventionieren ihre Landwirtschaft mit Milliardenbeträgen, so dass beispielsweise französisches Getreide im Senegal billiger angeboten wird als die Produkte der einheimischen Bauern.

So kassierte der Lebensmittelkonzern Nestle im vergangenen Jahr 48 Millionen Euro Agrarförderungen aus dem EU-Budget. Dennoch stellt das für Süßigkeiten und allerlei andere Lebensmittel bekannte Unternehmen bei weitem keine Ausnahme im Reigen der reichlichen Fördermittel für europäische Großunternehmen dar. „Kraft Foods“, ein US-Lebensmittelmulti, erhielt im Zeitraum von 2000 bis 2006 über sieben Millionen Euro, die Brauerei „Heineken“ aus den Niederlanden von 1999 bis 2004 beinahe neun Millionen Euro und sogar der Tabakkonzern „Philip Morris“ streifte zwischen 2000 und 2004 ganze sechs Millionen Euro an Unterstützungszahlungen aus dem EU-Landwirtschaftsfonds ein.

Diese Subventionen sind im Wesentlichen nichts anderes als Ausgleichszahlungen dafür, dass die Konzerne ihre Rohstoffe bei Landwirten aus der EU beziehen anstatt in billigeren Märkten wie in Asien, Afrika oder Südamerika einzukaufen. Exportieren diese Unternehmen nun die aus den hierzulande erstandenen und weiter verarbeiteten Lebensmittel, können sie die Differenz zwischen den niedrigeren Weltmarktpreisen und den tatsächlich bezahlten Kosten beim Kauf von damit indirekt subventionierten europäischen Bauern zurückfordern. Diese Finanzspritzen beliefen sich im Jahr 2005 auf 280 Milliarden US-Dollar und stellten somit ein Drittel der Einkommen von EU-Landwirten dar.

„Diese Gemengelage zeigt erneut, dass die Grundhaltung in den Verhandlungen nicht funktioniert“, sagte Markov. Es könne nicht darum gehen, „mit einem Wisch einfach allen Handel den Mechanismen des freien Marktes zu überlassen“. Vielmehr müsse eingesehen werden, dass sich jede Volkswirtschaft in ihrer eigenen Geschwindigkeit entwickelt. Jedem Staat muss daher die Entscheidungsfreiheit zugestanden werden, wann und wie weit er welche seiner Märkte dem Welthandel öffnet. „Im Sinne der Entwicklungsziele der Doha-Runde wären zudem zunächst die entwickelten Länder an der Reihe, ihren Protektionismus zurückzufahren.“
(ppa/hel)

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