Dienstleistungsrichtlinie wird Liberalisierungsspirale der EU vorantreiben
Zur Einigung der EU-Mitgliedstaaten über die Dienstleistungsrichtlinie erklärt Sahra Wagenknecht, Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS und ehemalige Berichterstatterin zur Richtlinie im Ausschuss für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament:
Der Kompromiss, auf den sich die Mitgliedstaaten geeinigt haben, verändert den Charakter der Dienstleistungsrichtlinie nicht. Sie ist und bleibt eine Blaupause für Sozialabbau. Daran ändern auch nicht die Lippenbekenntnisse zur angeblichen Berücksichtigung sozialer Belange und die geschürte Hoffnung auf vermeintlich zu erwartende Hunderttausende neuer Jobs. Sie dienen einzig dazu, die Kritik an der Richtlinie weiter einzudämmen und dafür zu sorgen, dass das umstrittene Vorhaben so schnell und geräuschlos wie möglich verabschiedet werden kann. Gleichzeitig werden bereits die Projekte vorbereitet, die die Dienstleistungsrichtlinie flankieren sollen und die weitere Liberalisierung der EU vorantreiben. Dies betrifft insbesondere Bereiche, die von der Dienstleistungsrichtlinie nicht erfasst sein sollen, wie die sozialen Dienstleistungen und die Entsenderichtlinie.
Dem faulen Kompromiss zur Dienstleistungsrichtlinie haben mit Ausnahme Litauens alle EU-Mitgliedstaaten ihre Zustimmung erteilt – auch diejenigen Hardliner-Regierungen, die sich bislang vehement gegen jede Veränderung des ursprünglichen Richtlinienentwurfs ausgesprochen hatten. Dies allein lässt erahnen, wie weit reichend die Liberalisierung ist, die auch die vermeintlich entschärfte Richtlinie vorsieht. Dabei hatte das Tauziehen der Regierungen nach dem Beschluss des Europäischen Parlaments ohnehin leicht groteske Züge, waren doch die erhobenen Forderungen nicht allzu weit reichend. Wasser, Energie, wesentliche Teile der Bildung – all dies sollte auch nach dem Willen des Europäischen Parlaments der Richtlinie unterliegen. Eine grundlegende Korrektur an der Ausrichtung des Liberalisierungsvorhabens hatte das Parlament nicht verlangt.
Der Countdown zur Dienstleistungsrichtlinie geht nun in die entscheidende Phase. Nach der erzielten Einigung der Regierungen bleiben nur noch wenige Monate, bis die Richtlinie endgültig verabschiedet werden soll, damit sie möglichst schnell in Kraft treten kann. Die wenige verbleibende Zeit gilt es zu nutzen. Noch sind Änderungen möglich! Die Dienstleistungsrichtlinie muss verhindert werden.
Sahra Wagenknecht, MdEP
Berlin/Brüssel, den 30. Mai 2006