Mr Mandelson it is your job!

Am 10.10.2006 veranstaltete der Ausschuss für internationalen Handel eine öffentliche Anhörung zum Thema Wettbewerbsfähigkeit. Hintergrund ist die Anfang Oktober von der Kommission vorgestellte Mitteilung „Ein wettbewerbsfähiges Europa in einer globalen Welt“. Die darin vorgestellte Strategie bringt allerdings nicht sonderlich viel Neues, was ihre Grundrichtung angeht, sondern basiert auf der altbekannten einfachen, ideologischen Annahme: Wachstum allein schaffe Arbeitsplätze. Diese Aussage stimmt in Ihrer Einfachheit aber nicht: In Europa sind die Gewinne der Kapitalgesellschaften in den vergangenen zehn Jahren weit schneller gestiegen als die Zahl der Arbeitsplätze. Der Automatismus Wachstum gleich Beschäftigungsmotor ist ein Mythos, mit dessen realen Auswirkungen die Bürgerinnen und Bürger alltäglich konfrontiert werden.

Nicht nur eine Reihe NGOs, selbst das französische Parlament hat sich mittlerweile dafür ausgesprochen, die bisherige Handelspolitik der EU grundsätzlich zu überdenken, einen auf Gerechtigkeit und Fairness basierenden Ansatz zu entwickeln, statt hauptsächlich auf Eigeninteressen bzw. die Interessen von Großkonzernen zu setzen. Auf meine Nachfrage hin erklärte EU-Handelskommissar Mandelson lapidar „This is not my job.“

Da wird dann auch klar, dass das, was die Kommissionsmitteilung als hehre Ziele in Aussicht stellt, nicht viel mehr als bloße Lippenbekenntnisse sind. Es heißt dort, dass soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt in Europa gestärkt und dass diese Werte auch weltweit vorangetrieben werden sollen. Nur leider gibt es dafür bisher keine konkreten Anzeichen. Im Gegenteil: Folgen der Politik der Kommission sind Betriebsverlagerungen, die Zerstörung von Arbeitsplätzen, die Demontage der sozialen Sicherungssysteme, die Aushöhlung der öffentlichen Daseinsvorsorge, die Schwächung des sozialen Zusammenhalts in Europa sowie post-koloniales Vorgehen in den Ländern des Südens.

Geht man tiefer ins die Details Ihrer Mitteilung, wird glasklar, dass die Kommission versucht, durch bilaterale Übereinkommen das zu erreichen, was ihr in den WTO-Verhandlungen auf multilateraler Ebene nicht gelungen ist. Nur einige Beispiele:

a) In Cancun haben 90 Staaten die EU-Vorschläge hinsichtlich der Investitionsregeln abgelehnt. Jetzt weigert sich die Kommission deren Position zu respektieren. Sie versucht durch die Schaffung von Freihandelszonen, die man fast schon als gesetzlose Landschaften bezeichnen könnte, in die Souveränitätsrechte dieser Länder einzugreifen und Bedingungen für europäische Unternehmen durchzusetzen, unter denen diese tun und lassen können, was und wie es ihnen passt.

b) Die Öffnung der Außenmärkte voranzutreiben wird neuerdings durch bilaterale Verhandlungen versucht – nicht nur in Schwellenländern, sondern auch in den wenig und am wenigsten entwickelten Ländern. Gerade diese hatten aber bekanntermaßen die Vorgaben der EU in den WTO-Gesprächen zurückgewiesen.

c) Alle Menschen dieser Erde haben dieselben Grundrechte: das Recht auf Gesundheit, Bildung und andere Leistungen der Daseinsvorsorge. Dies ist der Grund, aus dem eine große Mehrheit der Entwicklungsländer die Implementation des GATS ablehnt, denn vorausblickend und mit den Erfahrungen aus der Umsetzung der Zwangsvorgaben des IWF kennen sie die Auswirkungen der Liberalisierung von Dienstleistungsmärkten: Das Eisenbahnnetz in Lateinamerika ist fast verschwunden; seitdem die zuvor öffentliche Wasserversorgung in Afrika durch private europäische Unternehmen übernommen wurde, ist der Zugang zu sauberem Wasser erschwert und steigen die Preise.

d) Was die Kommission zum Thema Zugang zu Ressourcen verlauten lässt, klingt wie aus alten Kolonialzeiten des 19. Jahrhundert. Nirgendwo ist die Rede vom Recht eines Staates, Nutzen aus den eigenen natürlichen Ressourcen zu ziehen. Im Rahmen des Lomé-Abkommens waren Mechanismen gefunden worden, Ressourcenpreise zu stützen. Das durch die EU forcierte Cotonou-Abkommen hat solche Mechanismen teilweise zerstört.

Es ist wahrlich keine Überraschung, dass die European Business Federation die neue alte Strategie der Kommission begrüßt. Demgegenüber warnt aber beispielsweise die European Trade Union Federation (ETUC), dass die EU „Gefahr läuft, eine historische Chance verstreichen zu lassen, ihre Kapazität zu nutzen, um Entwicklung und Vertrauen in internationalen Austausch zu befördern“. Mehr als einhundert NGOs, die sich um Seattle to Brussels Network (S2B) zusammengeschlossen haben drücken ihre Besorgnis aus, dass diese „zerstörerische neue, von Konzernen gestützte Strategie interne Reformen diktieren wird, die das europäische Sozialmodell unterminieren“. Oxfam International hält der EU entgegen, dass sie „Freihandelsabmachungen gebraucht, um Zugeständnisse zu erzwingen, welche die Entwicklungsländer wiederholt in der WTO abgelehnt haben“ und dass dieser Plan Armut und Ungleichheit noch vergrößern wird.

Solange Herr Mandelson solche Stimmen, die durchaus die Interessen eines Großteils der Bevölkerung in der EU, aber auch weltweit vertreten, einfach ausblendet, muss er mit unserer eindeutigen Ablehnung seiner Politik rechnen.