Marty berichtet von systematischem „Outsourcing“ von Folter und vermutlich mehr als 100 Verschleppten

Nichtständiger Ausschuss des Europaparlaments muss Untersuchung konsequent fortsetzen. In Europa darf es keine rechtsfreien Räume geben

Zum heute vorgelegten Bericht des Europaratsermittlers Dick Marty zu vermuteten geheimen Inhaftierungen in Mitgliedstaaten des Europarats erklärt Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Mitglied des EP-Sonderauschusses:

Nach Erkenntnissen von Marty hat der US-Geheimdienst CIA mehr als 100 Personen festgenommen und in Länder verbracht, wo sie gefoltert wurden. Dazu heißt es in dem Bericht, dass zahlreiche „kohärente und übereinstimmende Indizien“ sowie Äußerungen von US-Beamten für diese illegalen Praktiken der CIA sprächen. Außerdem hätten dies die Regierungen europäischer Staaten „oder zumindest ihre Geheimdienste“ vermutlich gewusst. Da offenbar von offizieller Seite noch immer kräftig gemauert und abgewiegelt wird, fordert der Chefermittler des Europarats einen „echten“ Untersuchungsausschuss mit Expertenunterstützung sowie Untersuchungsbefugnissen.

Marty stellt außerdem fest, dass die nationalen Verfahren zur Kontrolle der Geheimdienste überprüft und gegebenenfalls verbessert werden sollten. Die Parlamentarier müssten das Zurückhalten von Informationen durch die Exekutive mit Verweis auf „Staatsgeheimnisse“ und „höhere Interessen“ hinterfragen. Auffallend ist Martys scharfe Kritik an den Äußerungen des deutschen Innenministers Schäuble zur Folter. Sie seien „zutiefst diskussionswürdig, wenn nicht gar alarmierend“.

Obwohl es momentan „keine formalen, unwiderlegbaren Beweise für die Existenz geheimer Gefängnisse in Rumänien, Polen oder anderen Ländern“ in Europa gebe, rechtfertigten allein die vorliegenden Fakten und Hinweise zu Verschleppung, Missachtung individueller Rechte und geheimen Transporten von Häftlingen in andere Länder nach Auffassung von Marty die Einsetzung des nichtständigen Ausschusses des Europaparlaments.

Dieser Ausschuss wird sich speziell mit der „Heranziehung europäischer Staaten für die Beförderung und die unrechtmäßige Inhaftierung von Gefangenen durch die CIA“ beschäftigen. Marty verweist hier besonders auf die Verantwortung europäischer Staaten für das, was auf ihren Flughäfen vor sich geht. Als Mitglied des nichtständigen Ausschusses des Europaparlaments werde ich mich insbesondere den Fällen des nach Afghanistan entführten Deutschen Khaled al-Masri und des nach Syrien verschleppten Deutschsyriers Mohammed Haidar Zammar widmen. Hinzu kommt die Frage der vermuteten Nutzung US-amerikanischer Militärstützpunkte und Flughäfen in Deutschland für illegale Gefangentransporte und Geheimflüge der CIA. Großer Klärungsbedarf besteht ferner zu den Befragungen durch deutsche Beamte im Gefangenenlager Guantánamo und in einem syrischen Gefängnis.