Sind Europas Straßen sicher?
Zur Halbzeitbilanz des EU-Aktionsprogramms für Straßenverkehrssicherheit
Die Halbzeitbilanz des EU-Aktionsprogramms für Straßenverkehrssicherheit zeigt, dass sich zwar etwas bewegt hat, aber längst nicht die Erfolge eingetreten sind, die wir uns im Jahr 2001 vorgenommen hatten.
Statt einer Halbierung der Zahl der Verkehrstoten von 50.000 (2001) im Jahr 2010 kommen wir – eine lineare Entwicklung vorausgesetzt, was nie sicher sein kann – auf eine Zahl von 32.500 statt 25.000 tödlichen Unfällen pro Jahr. Und diese Zahlen sagen noch nichts über das menschliche Leid aus, das hinter jedem einzelnen Unfall mit Toten oder Schwerverletzen steht.
Von der EU und den Mitgliedstaaten sind in einigen Bereichen richtige und sinnvolle Maßnahmen ergriffen worden. In anderen muss man aus meiner Sicht aber umdenken und aktiver werden:
Dass Müdigkeit am Steuer eine häufige Ursache von schwersten Unfällen ist, haben wir erkannt. Es gibt nun auch endlich die Richtlinie zu Lenk- und Ruhezeiten für Kraftfahrer, mit der unter anderem dieses Problem angegangen wird. Aber: Unter diese Richtlinie fallen keine Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen, obwohl diese zunehmend für Transportstrecken eingesetzt werden und die Häufigkeit und Schwere von Unfällen, an denen solche Fahrzeuge beteiligt sind, zunimmt. Ebenso fehlt in der genannten Richtlinie eine eindeutige Verbindung zur Arbeitszeitrichtlinie, obwohl die Arbeitszeit von Kraftfahrern sich oft nicht auf die reine Fahrzeit beschränkt, sondern auch an Warte-, Lade- und Entladearbeiten beinhaltet. Diese, natürlich auch zu Ermüdung führende Arbeitszeit kann mit den Kontrollmechanismen, die wir vor kurzem neu eingeführt haben, kaum erfasst werden. Ich fordere die Kommission dringend auf, auch hierfür eine EU-Gesetzesinitiative in Angriff zu nehmen.
Besonders von schweren und schwersten Unfällen im Straßenverkehr betroffen sind u. a. Jugendliche und ältere Menschen. Wenn man ihnen Mobilität erleichtern und sie gleichzeitig vor Unfällen schützen will, reicht es nicht aus, plakative Aufklärungskampagnen zu führen und die Straßen ein bisschen besser in Stand zu halten. Vielmehr müsste vermehrt auf einen gut ausgebauten und kostengünstigen öffentlichen Personennahverkehr auch in ländlichen Gebieten gesetzt werden, weniger auf zunehmende Wettbewerbsorientierung, die häufig zu Streckenschließung oder zumindest Taktzeitverlängerungen führt. Sowohl der Personen- als auch im Transportverkehr muss insgesamt wieder vermehrt auf die Schiene gebracht werden. Die notwendigen öffentlichen Investitionen zahlen sich aus, wenn man nicht nur die reine Einnahmeseite betrachtet, sondern auch die volkswirtschaftlichen Kosten, die bei Unfällen für den Gesundheitssektor und umweltschädigende Emissionen berücksichtigt.
Hinsichtlich neuer Technologien begrüße ich die Einführung des digitalen Fahrtenschreibers. Die Mitgliedstaaten sind in der Verantwortung, dessen Einsatz in Neufahrzeugen ab Mai dieses Jahres sicherzustellen. Auch die Einführung des einheitlichen EU-Führerscheins wird hoffentlich zu verbesserten, grenzübergreifenden Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten bei Fehlverhalten beitragen. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Fahrzeughersteller zum Einbau moderner Sicherheitstechnologien in neue Fahrzeuge sind sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Aber ich meine, dass dies auch gesetzlich verpflichtend geregelt werden sollte.