Jürgen Stark wird falschen Kurs der EZB stärken
Zur Entscheidung des Europäischen Parlaments, Jürgen Starks Nominierung für einen Sitz im EZB-Direktorium zu bestätigen, erklärt Sahra Wagenknecht, Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS und Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses im Europaparlament:
Die Nominierung von Jürgen Stark bestätigt erneut, dass Sitze im EZB-Direktorium nach dem Prinzip nationaler Erbhöfe behandelt, statt nach fachlicher Qualifikation vergeben werden. Dieses falsche Auswahlkriterium hat zur Stärkung einer falschen und fatalen geldpolitischen Orientierung der Europäischen Zentralbank beigetragen. Wenn die EZB eines nicht braucht, dann sind es weitere monetaristische Hardliner wie Jürgen Stark.
Der Monetarismus wird mit gutem Grund von kaum einer renommierten Zentralbank dieser Welt und auch von kaum einem renommierten Ökonomen heute noch ernst genommen. Die entscheidenden ökonomischen Daten sprechen gegen den Irrglauben von der Neutralität der monetären Sphäre und gegen die Steuerbarkeit von Geldmengenaggregaten. Was für den Monetarismus spricht, sind nicht Fakten, sondern Interessen: die Interessen der Herrschenden, die Interessen der Vermögensbesitzer und Finanzinvestoren, denen die Sicherung einer angemessenen Rendite wichtiger ist als die Zahl der Arbeitslosen, wichtiger als wirtschaftliches Wachstum, wichtiger als die Frage, wie viele kleinere Unternehmen konkurs gehen und wieviele Familien unter der Last ihrer hochverzinsten Schulden zusammenbrechen.
Dass die Interessen der großen Mehrheit für Herrn Stark keine ausschlaggebende Rolle spielen, zeigen auch seine Antworten auf die ihm vom Wirtschaftsausschuss vorgelegten Fragen. Die wichtigsten Reformen, die Europa braucht, sind in seinen Augen eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zu Lasten der Beschäftigten und eine fortschreitende Privatisierung des Renten- und Gesundheitssystems.
Die französische Bevölkerung hat vor kurzem demonstriert, wie solcherart neoliberale Untaten zu stoppen sind. Zu wünschen ist, dass dieses Beispiel in Europa Schule macht. Dann wird irgendwann vielleicht auch im EZB-Direktorium ein neuer Geist einziehen.
Berlin/Strasbourg, den 17. Mai 2006
Sahra Wagenknecht, MdEP