Davos: Kreativer Imperativ hinter Stacheldraht

Zum heute beginnenden Weltwirtschaftsforum in Davos erklärt Helmuth Markov, Europaabgeordneter der Linkspartei.PDS:

Das Motto des diesjährigen Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos lautet ‚Kreativer Imperativ‘. Auf den ersten Blick scheint es schwierig, sich darunter etwas vorzustellen. Forumsgründer Klaus Schwab allerdings bringt Licht ins kryptische Dunkel. Uns, also den westlichen Industrieländern, so meint er, ginge es einfach zu gut, während es den Menschen in China und Indien einfach weniger gut gehe und sie deshalb etwas ‚wagen‘. Schaut man sich das Hauptthema des Treffens an – der Aufstieg Chinas und Indiens zu neuen Wirtschaftsmächten -, wird deutlich, worum es der größtenteils europäisch-nordamerikanischen weltwirtschaftlichen Elite geht: Die Sorge um den Selbsterhalt.

Wie gehabt ist die Zahl von Teilnehmern aus Entwicklungsländern oder von Nichtregierungsorganisationen marginal. Davos, von Hubschraubern, Stacheldraht und 5000 Soldaten bewacht, gleicht eher einer Festung denn einem Ort, an dem Strategien ‚zur Verbesserung der globalen Situation‘ entwickelt werden könnten. Obwohl es im am Rande des Treffens stattfindenden ‚offenen Forum‘ um Themen wie Menschenrechte, Arbeitsmigration, Armutsbekämpfung oder Wasserversorgung gehen soll, ist kaum zu erwarten, dass der Gipfel am Ende mehr ist als das gewohnte Networking von wenigen, das in keinem Verhältnis steht zu den Sorgen und Bedürfnissen der Mehrheit der Menschen in Industrie- wie in Entwicklungsländern.

Das seit einigen Jahren parallel zum Weltwirtschaftsforum stattfindende Weltsozialforum versucht, der einseitigen, elitären Veranstaltung in Davos einen Ansatz entgegenzustellen, der auf demokratische, emanzipatorische, nachhaltig soziale und ökologische Entwicklung in allen Teilen der Welt setzt. Die Teilnehmer des diesjährigen Weltsozialforums in Bamako und Caracas diskutieren Bedingungen selbst bestimmten Lebens, wie Beteiligung der Betroffenen an politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen auf allen Ebenen, allgemeiner Zugang zu Ressourcen und öffentlicher Grundversorgung, einschließlich Bildung- und Ausbildung, der Erhalt der natürlichen Umwelt, werden dort im offenen Dialog diskutiert. Es ist zu hoffen, dass die Teilnehmer der Weltwirtschaftsforums in ihren abgeriegelten Tagungsräumen wenigstens gelegentlich einen Blick auf die Aktivitäten und Positionierungen des Weltsozialforums werfen und diese bei ihren Vereinbarungen berücksichtigen.