Die EU-Arbeitszeitrichtlinie: viele Ausnahmen, schwache Regeln

Die geltende EU-Arbeitszeitrichtlinie hat das erklärte Ziel, den „Schutz der Arbeitnehmer vor den nachteiligen Auswirkungen einer übermäßigen Arbeitsdauer, unzureichender Ruhezeiten oder einer unregelmäßigen Arbeitsorganisation auf ihre Gesundheit und Sicherheit zu gewährleisten.“ Sie wurde 1993 verabschiedet und enthält folgende EU-weit geltende Mindestvorschriften:
eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum;
eine Ruhepause bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden;
eine Mindestruhezeit von 24 Stunden pro Woche;
eine durchschnittliche maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden einschließlich der Überstunden;
einen bezahlten Jahresurlaub von vier Wochen;
eine durchschnittliche maximale Nachtarbeitszeit von 8 Stunden pro Tag.
Ferner legt die Richtlinie fest, dass die Wochenarbeitszeit über einen Bezugszeitraum von 4 Monaten gemessen wird. Im Durchschnitt dieser 4 Monate darf die Wochenarbeitszeit demnach 48 Stunden nicht überschreiten. In einer einzelnen Woche kann die wöchentliche Arbeitszeit aber bis auf 78 oder sogar 89 Stunden ausgedehnt werden! Abweichend davon kann der Bezugszeitraum auf 6 oder 12 Monate erweitert werden, sofern dies durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen geregelt wird. Damit hat die bestehende Richtlinie das Tor für Arbeitszeitflexibilisierung im Interesse der Unternehmer weit geöffnet. Es kann wochen- oder monatsweise erheblich länger als 48 Stunden gearbeitet werden, wenn später Phasen mit kürzerer Wochenarbeitszeit eingeschoben werden. Die 48 Stunden-Woche und der 8-Stundentag als Norm wurden bereits durch die ILO-Konvention C1 von 1919 eingeführt – also vor 86 Jahren!