EU-Haushalt: Das ewig heiße Eisen
Am 17. Juni sollte der Europäische Rat über die Zukunft der EU-Finanzen ab 2007 befinden und hat die Entscheidung wieder einmal vertagt. Die gewachsene Kluft zwischen weniger und besser entwickelten EU-Regionen, die anstehende Erweiterung um Bulgarien und Rumänien und die zunehmende Übertragung von nationalen Zuständigkeiten auf EU-Ebene stellen den Haushalt vor gewaltige Herausforderungen. Bleibt es beim aktuellen Finanzrahmen, so wird die Situation ab 2007 besonders in der Strukturfondsförderung prekär, und die Verteilungskämpfe zwischen den Mitgliedsstaaten nehmen weiter zu. Der gescheiterte EU-Finanzgipfel hat deutlich gemacht: Die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten sind über die Zukunft der Europäischen Union völlig uneins. Hinter dem Hickhack um die EU-Finanzen verbergen sich zwei grundlegende Fragen. Soll die EU ein neoliberales Freihandelsprojekt oder eine Solidargemeinschaft mit sozialem Anspruch sein? Und: Sind alle Mitgliedsstaaten bereit, im Sinne einer gleichberechtigten Entwicklung aller auf eigene Privilegien zu verzichten und, wenn möglich, auch mehr zu geben? Die Debatten der vergangenen Wochen waren bezeichnend. Während sich die neuen EU-Länder bereit erklärten, für den Erhalt des Solidarprinzips eine Senkung der ihnen zustehenden Finanzhilfen in Kauf zu nehmen, beharrte Großbritannien auf dem so genannten Britenrabatt und Frankreich auf seinen Agrarsubventionen. Die großen Nettozahler zeigten sich zudem nicht bereit, einer der erweiterten EU angemessene Finanzierung zuzustimmen und beharrten darauf, die Beiträge der Mitgliedsländer bei 1% des nationalen Bruttoinlandsprodukts einzufrieren – entgegen der auf der Berliner Agenda 1999 vereinbarten 1,27%. Auch im Europäischen Parlament stehen die Zeichen nicht auf Solidarität und sozialer Entwicklung. Am 8. Juni verabschiedete das Parlament gegen die Stimmen der GUE/NGL-Fraktion den Böge-Bericht zu den politischen Herausforderungen und Haushaltsmitteln der erweiterten Union 2007-2013. Danach sollen die Strukturfondsmittel weiter gesenkt, die Militärausgaben demgegenüber angehoben werden. Die neoliberale Wirtschaftsund Sozialpolitik darf fortgeführt und ausgebaut werden. Dies kann nur zu noch größerer Skepsis gegenüber der EU führen. Auch die anstehende britische Präsidentschaft lässt nach der Ant r i t t s r e d e Tony Blairs vor dem Europäischen Parlament keine grundlegende Neuausrichtung erwarten. Ein Europa der sozialen Kälte und nationalen Egoismen kann von seinen Bürgerinnen und Bürgern aber keinen Zuspruch erwarten. Wir sprechen uns für eine Ausrichtung der Förderpolitik auf soziale Projekte, den Abbau von Arbeitslosigkeit sowie die Stärkung strukturschwacher Regionen aus. Dazu muss der Kofinanzierungsanteil für diese Regionen gesenkt und flexibler gehandhabt, die Antragsbürokratie vereinfacht werden. Der Fokus sollte stärker auf kleinteiligere Projekte mit nachhaltigen Effekten gerichtet sein, da Großprojekte, wie im Falle der Transeuropäischen Netze, oft nicht realisiert werden, aber das Geld blockieren. Wir lehnen die geplante Erhöhung der Militärausgaben ab und fordern stattdessen ein stärkeres EU-Engagement in Konfliktprävention und Entwicklungszusammenarbeit. Die Ausgaben für die Agrarpolitik, das Gros des EU-Haushaltes, dürfen nicht auf einen aussichtslosen Wettbewerb auf dem liberalisierten Weltmarkt ausgerichtet sein, sondern müssen auf nachhaltige ländliche Entwicklung orientieren. Und im Sinne sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit sollten auch die von Tony Blair so vehement eingeforderten Forschungsausgaben gehandhabt werden.