Wirtschaftsmigration als „brain drain“ aus Entwicklungsländern?

Wieder einmal haben CDU und CSU die europäische und deutsche Zuwanderungspolitik auf ihre Tagesordnung gesetzt. Die Europäische Kommission legte Anfang des Jahres das Grünbuch über ein EU-Konzept zur Wirtschaftsmigration vor. Dieses Vorhaben steht nicht nur wegen der ablehnenden Haltung von CDU/CSU unter einem schlechten Stern. Die entscheidende Hürde für die Entwicklung gemeinsamer Kriterien ist von der EU selbst errichtet worden. So betrachten Kommission und Rat in allen Strategie und Politik bestimmenden Dokumenten „Menschen als Wirtschaftsgut“. Zum anderen sollen europäische Regionen wie der Mittelmeerraum die weltweit größten Freihandelsräume werden. Somit ist zwar der freie Austausch von Waren, Dienstleistungen und Finanzen möglich, diese Freizügigkeit gilt aber nicht für Menschen, die in der EU arbeiten wollen. Nur jene sollen in die Festung EU kommen, die auf dem Arbeitsmarkt für einen bestimmten Zeitraum zu gebrauchen sind. Argumente dabei sind die demografische Entwicklung und unverhohlen auch die geringeren Kosten für hoch qualifizierte Menschen, die außerhalb der EU ausgebildet wurden. „Brain drain“ aus der EU ist ein Problem, „brain drain“ aus dem Rest der Welt nicht! Es wird nun gar ein Punktesystem entworfen, um Menschen nach nützlichen und unnützlichen, nach hoch qualifizierten und niedrig qualifizierten Menschen zu selektieren – und das in Lagern, die sich nicht nur nach Schilys Willen außerhalb der EU befinden werden? Eine unzulässige Zuspitzung? Beileibe nicht. Italien und Libyen sind schon dabei, EU-Gelder für die Errichtung solcher Lager in Libyen zu missbrauchen. Blind sind Kommission und viele Mitgliedstaaten aber auch für die Tatsache, dass innerhalb der EU Millionen „Menschen ohne Papiere“ leben und arbeiten. Sie wollen lediglich die „legale“ Wirtschaftsmigration regeln und ignorieren schlichtweg das beschämende Ausmaß so genannter Sklavenarbeitsverhältnisse in der EU. Die von der Kommission gewollte Debatte über eine umfassende EU-Strategie zur Wirtschaftsmigration muss aber vom Recht jedes in der EU lebenden Menschen auf ein Leben in Würde ausgehen, wenn sie sich an ihren im Verfassungstext formulierten Werten messen lassen will. Die Mitgliedsstaaten sind ebenso gefordert, endlich die UN-Konvention zum Schutz der Rechte von Wanderarbeitern und ihren Familien, die auf die Integration von Wirtschaftsmigranten zielt, zu unterzeichnen und umzusetzen sowie sich der Problematik minderjähriger Migranten und dem organisierten Handel mit Menschen, darunter vielen Frauen und Kindern, gerade aus Osteuropa und aus Entwicklungsländern zu stellen.