Zeit für mehr Demokratie

Nach dem vorläufigen Scheitern der europäischen Verfassung steckt die Europäische Union in der Krise. Die Suche nach einem Ausweg beschäftigt nicht nur die Regierungen der Mitgliedstaaten, sondern auch jene, die mit ihrem Nein der Verfassung eine Abfuhr erteilt haben. Nicht, weil sie keine guten Europäer sind, sondern gerade weil sie für ein gemeinsames Europa sind. Ihre Vertreter, darunter auch zahlreiche Mitglieder meiner Fraktion, trafen sich am letzten Juni-Wochenende in Paris. Wir waren uns – wie im Übrigen die Mehrheit der Mitglieder der PDS-Delegation im EP – einig, dass die Krise uns große Chancen bietet, Alternativen aufzuzeigen für eine Neuausrichtung des europäischen Integrationsprozesses, und zwar unter breiter Bürgerbeteiligung. Es ist Zeit für mehr Demokratie. Dabei steht im Mittelpunkt: Was wollen wir für ein Europa? Was heißt das für die europäischen Institutionen? Was heißt das dann für den Verfassungsprozess und die damit verbundene Verfassung der EU? Welche Rechte sind den Menschen in der EU zu gewähren, damit sie in Würde leben können? Wir wollen eine EU, in der es sozialer, gerechter, ökologischer und friedlich zugeht. In der nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden wird, sondern die Bürger selbst entscheidende demokratische Mitsprache- und Kontrollrechte haben. Eine EU, deren Entscheidungen transparent und nachvollziehbar für alle sind. In der Diskussion darf es keine Tabus geben. Auf den Prüfstand gehören nicht nur die neoliberale Wirtschafts-, sondern auch die Fiskal- und Geldpolitik. Dass es auf dem jüngsten Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu keiner Einigung über den künftigen Finanzrahmen der EU gekommen ist, hat doch gezeigt, dass man zwar die Gemeinschaft erweitern will, aber nicht gewillt ist, das notwendige Geld aufzubringen, um eine erfolgreiche Integration der im letzten Jahr hinzu gekommenen Mitglieder sowie der weiteren Beitrittskandidaten zu gewährleisten. In einer gemeinsamen Erklärung haben wir uns u. a. darauf geeinigt, dass am 14. und 15. Dezember 2005 europaweite Aktionstage unter dem Motto »Für ein anderes Europa!« und am 4. März 2006 in der gesamten Union europäische Bürgerversammlungen stattfinden werden, die gleichzeitig für eine Teilnahme am Europäischen Sozialforum in Athen werben sollen.