Das Nein ist links

Elisabeth Gauthier

Seit einem Monat zeigen alle Meinungsumfragen eine Mehrheit für ein Nein im Referendum über den Verfassungsvertrag. Niemand bestreitet, dass die politische Dynamik soziologisch und politisch vom linken Spektrum der Gesellschaft getragen wird.
Nach den Arbeitern, öffentlich Beschäftigten und Landwirten sind mittlerweile auch die „cadres“ (mittlere und höhere Angestellte) mehrheitlich zum Nein übergegangen; bei der Jugend zeigt sich besonders deutlich, dass das Nein antiliberal, aber nicht antieuropäisch ist. 92 Prozent der kommunistischen, 62 Prozent der sozialistischen, 62 Prozent der grünen Wähler stehen für das Nein, 72 Prozent der Wähler der Rechtsparteien UMP und UDF sind für Ja. Dies zeigt, dass die Auseinandersetzung klar links-rechts geprägt ist. Es geht aber nicht nur um eine Einordnung in politische Traditionen, sondern um die inhaltlichen Fragen des Neoliberalismus.
In der Kampagne kommt die gesamte Bandbreite des Verfassungstextes zur Sprache. In Sachen Demokratie wird der gesamte Prozess – ohne Constituante, ohne breite Debatte – kritisiert. Gleichermaßen wird die Aufrechterhaltung der Macht der Europäischen Kommission abgelehnt, bei einer nur äußerst geringfügigen Ausweitung der Rechte der Bürger und Parlamente.
Schockierend wirkt die Durchbuchstabierung der freien und ungehinderten Konkurrenz als Leitmotiv, in allen Einzelheiten und mit ihren zerstörerischen Konsequenzen. Die Parallelen mit der Bolkestein-Richtlinie, GATS, den Direktiven zur Arbeitszeit, zum europäischen Transportwesen, werden hergestellt und die monetaristisch angelegte Rolle der Zentralbank zurückgewiesen. Zugleich kommen pazifistische und feministische Kritikpunkte zum Tragen.
Durchweg gilt: Je inhaltlicher der Text diskutiert wird, desto bewusster wird die Opposition.
Elisabeth Gauthier ist
Generalsekretärin von Espaces Marx (Paris)