»Plan D« wie dünn
Brüssel will mehr Reformen und Bürgernähe
Umfassende Reformen in fast allen Politikbereichen hat gestern EU-Kommissionspräsident Barroso vorgeschlagen. Mehr Bürgernähe ist eine alte Forderung. Die Antwort aus Brüssel heißt »Plan D«.
Nach den deftigen Niederlagen bei den Verfassungsreferenden in Frankreich und in den Niederlanden zeigte sich die Union nackt – kein »Plan B« für diesen Fall im Ratifizierungsprozess des ersten EU-Grundgesetzes. Während sich die Staats- und Regierungschefs auf eine Denkpause einigten, feilte man in der Brüsseler Zentrale an einer Strategie gegen die Europamüdigkeit und präsentierte jetzt den »Plan D«. D steht für »Demokratie, Dialog, Debatte«. Die zuständige Kommissarin Margot Wallström will das Interesse der EU-Bürger für die Herausforderungen der europäischen Integration wecken und sie sogar wieder europäisch träumen lassen. Prominente aus Gesellschaft, Kultur und Sport sollen als »Botschafter des guten Willens« für diese Ideen werben, »Bürgerpanels« mit Repräsentanten aller Regionen die Anregungen der Menschen aufgreifen. Die blonde Schwedin geht in diesem Dialog selbst voran, in einem Web-Tagebuch (Blog) kommuniziert sie mit den EU-Bürgern und musste in vielen hunderten Kommentaren zu ihren Eintragungen auch schon so manche herbe Kritik und Bemerkung einstecken. (http://weblog.jrc.cec.eu.int/page/wallstrom) Mit dieser Initiative steht Frau »Blogström«, so ihr neuer Spitzname, unter ihren Kommissionskollegen bisher aber noch allein.
Ohnehin sei der Plan der Kommission wenig überzeugend, das »D« stehe hier wohl eher für dünn, meint die EU-Abgeordnete der Linkspartei.PDS Sylvia-Yvonne Kaufmann. Denn »der Kern des Problems ist und bleibt die neoliberale Ausrichtung der Politik der Europäischen Union, und solch ein schlechtes Produkt lässt sich auch nicht durch eine freundlichere Verpackung besser verkaufen«, betont die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Solange die Brüsseler Kommission und die EU-Regierungen keine Bereitschaft für einen grundlegenden Politikwechsel in Richtung eines sozialen Europas zeigten, werde es auch nicht gelingen, dem europäischen Verfassungsprozess neues Leben einzuhauchen. Kommissionschef Barroso forderte gestern nun Reformen und Modernisierung in den Mitgliedstaaten und neue Prioritäten bei den EU-Ausgaben – für Beschäftigung, Wachstum, Sozial- und Umweltschutz. Jetzt ist der EU-Gipfel nächste Woche in London gefragt.
Quelle:
Neues Deutschland