Alle Landminen ächten, Artikel in „Neues Deutschland“ vom 17. Juni 2005
ND-Artikel von Gabi Zimmer vom 17.06.05
Alle 20 Minuten wird irgendwo auf unserer Erde ein Zivilist durch eine Mine verletzt oder getötet. Etwa 100 Millionen liegen weltweit in der Erde vergraben. Auch vor unserer eigenen Haustür, in Europa, in Bosnien, Kroatien… Sie warten auf ihre nächsten Opfer. Denn Minen kennen keinen Waffenstillstand. Auch nach zehn, zwanzig oder sechzig Jahren nicht. Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer.
Seit 1999 im kanadischen Ottawa der Vertrag über das Verbot der Herstellung und Verbreitung von Antipersonenminen, über die Vernichtung ihrer Bestände sowie über die Räumung der minenverseuchten Gebiete bis 2009 unterzeichnet wurde, sind ihm 144 Länder beigetreten. Dass er überhaupt zu Stande kam, ist dem Druck und dem Engagement der größten international wirkenden zivilen Bürgerbewegung, die es je gegeben hat, zu verdanken, deren Vertreter heute an einem Tisch mit den Regierungen sitzen und über die Umsetzung des Vertrages wachen.
Die Mitglieder des Europaparlaments sind an diesem Prozess maßgeblich beteiligt. Sie haben mit ihrem parlamentarischen und außerparlamentarischen Engagement über Partei- und nationale Interessen hinweg mit dazu beigetragen, dass bislang die Hälfte der finanziellen Mittel für die weltweite Minenräumung aus dem Haushalt der EU kommt. Bis dato fast eine Milliarde Euro.
Es gibt also Fortschritte, doch das Ziel, bis 2009 eine landminenfreie Welt zu schaffen, liegt noch in weiter Ferne. Nach wie vor haben die größten Landminen produzierenden und exportierenden Staaten – USA, Russland, Indien und China – den Vertrag nicht unterzeichnet. Wie auch Finnland und Polen nicht, beide Mitglieder der EU. Unter die Ächtung fallen nur die Antipersonenminen. Nicht aber die Antifahrzeugminen und die so genannten Clusterbomben, die z. B. in Irak und Afghanistan zum Einsatz kamen.
Aber auch das sind Antipersonenminen. Eine Antifahrzeugmine macht keinen Unterschied, ob ein Militärfahrzeug über sie hinweg rollt oder ein Schulbus. Sie explodiert, tötet Kinder, Frauen, Alte oder verstümmelt sie für den Rest ihres Lebens.
Wie wir auf dem gestrigen AntilandminenInformationstag im Europaparlament zur Kenntnis nehmen mussten, ist zwar der legale Handel mit Antipersonenminen weltweit zum Erliegen gekommen, doch das Geschäft mit den anderen floriert weiter. Auch in Deutschland, einem der Erstunterzeichnerstaaten des Ottawa-Vertrages. Die Bundesregierung weigert sich bis heute, die Frage zu klären, ob es sich bei den 1,5 Millionen Antifahrzeugminen der Bundeswehr und der Luftwaffe um Landminen handelt, die durch Personen ausgelöst werden können.
Der deutsche Minenhersteller Dynamit Nobel jedenfalls räumt ein, dass die Minen des Typs DM 31 in Bundeswehrbesitz gegen das Ottawa-Abkommen verstoßen. Ihre Zünder sind so sensibel, dass sie von Personen ausgelöst werden können. Da ist es blanker Zynismus, wenn Sicherheitsexperten des Außenministeriums auf meine Nachfrage behaupten, dass solche Minen doch vom Militär im Rahmen einer militärischen Aktion eingesetzt, damit kontrolliert und überwacht und hernach wieder geräumt würden. Frage: Wo hat das Militär in den zurückliegenden Jahrzehnten je seine Kriegsschauplätze von Minen geräumt? In Vietnam, in Irak, in Afghanistan, in Bosnien…? Den Minenopfern ist es letztlich egal, welcher Minentyp ihnen ihre Verletzungen zufügte. Landminen kennen keinen Waffenstillstand, und es darf im Kampf um ihr vollständiges Verbot auch keinen für sie geben.