„Über Porto Alegre, Gott und den EU-Verfassungsvertrag“ Kolumne von Tobias Pflüger, MdEP in Tagblatt, 11.02.2005

Das Weltsozialforum Ende Januar in Porto Alegre (Brasilien) war eindrucksvoll. Über 120.000 Menschen aus aller Welt waren zusammengekommen, um über Alternativen zum Neoliberalismus zu beraten. Zeitgleich trafen sich in Davos diejenigen, die trotz aller Lippenbekenntnisse, kein Interesse daran haben, dass endlich von oben nach unten umverteilt wird. Hartz IV ist dabei nur die deutsche Variante eines Angriffs auf die erkämpften sozialen Rechte der Nichtprivilegierten.

Doch es geht nicht nur um soziale Alternativen zu einer Politik der Marktgesellschaft. Gerade das Forum „Gegen Krieg und Imperialismus“, eine Veranstaltung des Weltfriedensrates in Porto Alegre, zeigte, dass es auch um eine zivile Alternative zum globalen Kapitalismus geht. Viele, denen dies ein Anliegen ist, schauen oft nur auf die Politik der USA. In deren Schatten werden die Entwicklungen in der EU dabei oft übersehen. Häufig geben sich die Vertreter der EU-Staaten als die friedlichere, sozialere und einfach bessere Alternative zu den USA. Dies hat wenig mit der Realität zu tun. So geht es in den Mitgliedstaaten der EU jetzt um die Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrags. Mit diesem Vertrag sollen die rechtlichen Vorraussetzungen für eine global kriegführende EU geschaffen werden. Parallel läuft ein Aufrüstungsprogramm, das es in sich hat. Angefangen von der Einrichtung einer Rüstungsagentur bis hin zur Aufstellung so genannter „Schlachtgruppen“: Und in Blaupausen des „Instituts für Sicherheitsstudien“, vom europäischen Steuerzahler bezahlt, wird sogar der Einsatz von Atomwaffen und die Übernahme des Präventivkriegskonzeptes erwogen.

In Spanien soll am 20. Februar das erste Referendum über den EU-Verfassungsvertrag stattfinden. Die Strategie der Sozialdemokraten ist, die Leute zu einem JA zu einem Text zu drängen, den sie nicht kennen – mit dem Verweis wer mit NEIN stimme, sei gegen Europa und Nationalist. Anfangs schien dies aufzugehen, mittlerweile aber mehren sich die Zeichen, dass die Befürworter überzogen haben. Mehrfach wurde die Regierung vom Wahlrat angemahnt ihre einseitige Informationskampagne zu beenden. Zudem meldet sich die katholische Kirche zu Wort, die den Verfassungsvertrag ablehnt, weil kein Verweis auf das christliche Erbe Europas und keine Gottesformel enthalten sei. Aus meiner Sicht völlig abwegig, richtig aber ist, dass ist das es einen Gott im EU-Verfassungsvertrag gibt. Ulrich Durchow, Professor für systematische Theologie an der Universität Heidelberg, hat es auf den Punkt gebracht: „Welcher Gott wird stattdessen in dem Entwurf der EU-Verfassung angebetet, welcher Gott soll uns in Zukunft regieren? Es ist der Gott der Konzerne, der Gott der militärischen Stärke zur Durchsetzung der eigenen Interessen“.

Aufklärung und Widerstand gegen die EU-Militarisierung zu organisieren, darin sehe ich meine Aufgabe. Auch vor dem Hintergrund, dass eine Arbeitsgruppe beim Präsidium des Europäischen Parlaments letzte Woche Millionen Euro für eine Propagandakampagne zugunsten des EU-Verfassungsvertrages beschlossen hat. Meine Hoffung: Sie werden damit nicht durchkommen.